Washington – Nur 24 Stunden vor der für heute geplanten Abstimmung im US-Repräsentantenhaus gab es für Donald Trump eine schlechte Nachricht: Ein halbes Dutzend Demokraten aus konservativen Wahlbezirken, in denen 2016 der US-Präsident gewonnen hatte, wollen nach längerem Zögern das „Impeachment“ Trumps unterstützen – auch wenn sie dies im kommenden Jahr den Sitz im Kongress kosten kann. Damit stehen die Demokraten nahezu geschlossen hinter der geforderten Amtsenthebung Trumps, über die 2020 der Senat entscheiden wird.
Lediglich ein Abweichler hatte sich kürzlich in spektakulärer Manier zu Wort gemeldet. Der Abgeordnete Jeff Van Drew aus dem Bundesstaat New Jersey kündigte an, nicht nur gegen das „Impeachment“ stimmen, sondern gleich die Partei wechseln zu wollen.
Trotz der Einheit der Demokraten glaubt Trump, nichts befürchten zu müssen. Seinen Anhängern schrieb er zuletzt: „Kein Grund für schlaflose Nächte“ und: „Macht euch keine Sorgen“. Doch der Ärger scheint groß. Der Spitzen-Demokratin Nancy Pelosi warf er in einem sechsseitigen Brief vor, der Demokratie „offen den Krieg“ zu erklären. In dem gestern veröffentlichten Schreiben nannte er das Impeachment-Verfahren einen „illegalen, parteiischen Umsturzversuch“.
Zwar ist der Fakt, dass er sich als dritter Präsident in der US-Geschichte einem „Impeachment“-Votum auf dem Kapitol stellen muss, ein großer Fleck auf seinem Lebenslauf. Zudem verurteilten jetzt mehr als 750 prominente Historiker in einem Memorandum die „zahlreichen Fälle von Machtmissbrauch“ Trumps, dem vorgeworfen wird, die Ukraine unter Druck gesetzt zu haben, um eine Untersuchung seines Rivalen Joe Biden zu erreichen. Doch kein Präsident wurde bisher durch ein „Impeachment“-Verfahren aus dem Weißen Haus gejagt. Richard Nixon erklärte nach der „Watergate“-Affäre im Jahr 1974 seinen Rücktritt, als ihm klar geworden war, dass er einer Amtsenthebung nicht mehr entkommen würde. Andrew Johnson und Bill Clinton wurden vom Repräsentantenhaus 1868 und 1998 formell angeklagt, aber vor dem Senat gab es dann keinen Schuldspruch.
Und Trump weiß, dass die Konservativen im Senat weiter treu zu ihm stehen. Deshalb dürfte auch der Vorstoß des demokratischen Senats-Fraktionschefs Charles Schumer scheitern, für das wohl im Januar stattfindende Senatsverfahren prominente Zeugen aus Trumps Regierung anzuhören. Schumer will den amtierenden Stabschef Mick Mulvaney und den früheren Sicherheitsberater John Bolton vernehmen lassen. Bolton hatte Insidern zufolge die Ukraine-Affäre sogar mit einem „Drogendeal“ gleichgesetzt, mit dem er nichts zu tun haben wolle.
Vertreter der Republikaner ließen unterdessen durchblicken, dass sie in diesem Fall darauf bestehen werden, Zeugen aus dem Lager der Demokraten zu laden – darunter auch den Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn Hunter, der zu einem lukrativen Job in der Ukraine gekommen war, während sein Vater als Vize-Präsident die Kontakte zu Kiew hielt.
FRIEDEMANN DIEDERICHS