München/Berlin – Noch sind es eineinhalb Monate bis zur Ankunft des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan in Berlin. Längst aber ist eine heftige Debatte darüber entbrannt, ob ein offizieller Staatsbesuch samt militärischen Ehren der richtige Umgang mit einem Mann ist, der sein Heimatland mit extrem harter Hand regiert.
Außenminister Heiko Maas (SPD) verteidigte am Donnerstag den geplanten Besuch. „Erdogan ist gewählter türkischer Staatspräsident, ob einem die türkische Präsidialverfassung nun gefällt oder nicht“, sagte der SPD-Politiker der „Rhein-Neckar-Zeitung“. „Wir würden einen großen Fehler machen, wenn wir die Repräsentanten dieses Staates grundsätzlich nicht willkommen heißen würden.“ Maas weiter: „Nur wenn man vernünftig miteinander redet und die Differenzen offen anspricht, kommt man weiter.“
Ähnlich hatten sich zuvor auch führende CDU-Politiker geäußert – etwa Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer oder Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Kramp-Karrenbauer hatte allerdings ergänzt, man müsse darauf achten, dass Erdogan den Besuch nicht dazu nutze, die „Loyalitätskonflikte weiter zu schüren, in die er hier lebende Türken, Deutschtürken oder Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund durch seine Politik bringt“.
Derweil kritisiert der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den Zeitpunkt des geplanten Besuchs. „Gerade bei Meinungsunterschieden ist Dialog sinnvoll“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Kurz nach einem Referendum über eine islamistische Präsidialdiktatur halte ich den Zeitpunkt aber für fragwürdig.“ Lindner erklärte auch, die Bundesregierung müsse klarstellen, dass in der EU unter den gegebenen Bedingungen kein Platz für die Türkei sei.
Der außenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Stefan Liebich, hält den geplanten Besuch Erdogans in Deutschland trotz aller Kritik für gerechtfertigt. Die Bundesregierung spreche auch sonst mit autokratischen Regierungen oder den Staatschefs von Ländern mit Menschenrechtsverletzungen, „insofern tue ich mich schwer, Erdogan zu sagen, dass er nicht kommen darf“, sagte Liebich am Donnerstag in Berlin der Nachrichtenagentur AFP.
Erdogan trifft bei seinem Staatsbesuch Ende September auch mit Kanzlerin Angela Merkel zusammen. Er kommt am 28. und 29. September nach Deutschland – pikanterweise am Tag nach der Entscheidung darüber, ob die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland oder in der Türkei stattfindet.
Zu Beginn seines Besuchs wird Erdogan von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit militärischen Ehren begrüßt. Bei dem anschließenden Gespräch im Schloss Bellevue sollen auch kritische Punkte wie Rechtsstaat, Freiheitsrechte und Demokratie eine Rolle spielen. dpa/afp/mm