Die gestickte Advents-Tischdecke liegt schon ausgebreitet auf dem Tisch im Esszimmer. Das edle Tischtuch hält Christine Rosenkranz in Ehren: „Die hat noch meine Großmutter mühevoll gestickt.“ Von der Oma stammt auch das Rezept für das „Augsburger Früchtebrot“, mit dem bei der Familie Rosenkranz die Adventszeit beginnt.
Nicht nur die Rezeptur ist überliefert – die Großmutter hat die Zutaten vor über 50 Jahren fein säuberlich in altdeutscher Schrift in ein Büchlein aufgeschrieben. Die Großmutter wusste dazu auch noch eine Geschichte zu erzählen, die von Generation zu Generation in der Familie weitergegeben wird: Als junges Mädchen arbeitete sie in einem Haushalt in Augsburg. Damit die Dienstmädchen beim Aufschneiden des süßen Brots nicht naschen konnten, hatte sich der Hausherr eine besondere Maßnahme ausgedacht: Die Mädchen mussten währenddessen pfeifen. So wollte der Augsburger den Mundraub verhindern. Ob dies ihm auch gelungen ist, ist allerdings nicht überliefert.
Christine Rosenkranz erzählt die Geschichte mit einem Lachen und fügt hinzu: „Das waren damals halt noch andere Zeiten.“ Das Augsburger Früchtebrot wird seither in ihrer Familie zur Weihnachtszeit gebacken – nur gepfiffen wird dazu längst nicht mehr.
Mitte November geht es bei den Rosenkranz mit dem Plätzchenbacken los – „wenn die November-Geburtstage in der Familie vorbei sind, konzentrieren wir uns auf Weihnachten“. Früher hat Christine Rosenkranz mindestens 20 Sorten gebacken. „Jeder will seine Lieblingsplätzchen auf dem Teller finden.“ Seit auch der Schwiegersohn fleißig bäckt, macht sie ein paar Sorten weniger. „Im Januar will schließlich keiner mehr Plätzchen essen.“
Ein Muss sind die Rumkugeln, „die sind immer als Erstes weg“. Zum Formen der Kugeln empfiehlt es sich, Einmalhandschuhe anzuziehen. „Sonst schauen die Hände hinterher fürchterlich aus.“ Übrigens: Je edler die Schokolade, desto besser die Rumkugeln. Bei den Rosenkranz kommen sie klassisch auf den Plätzchenteller – „wir mögen die Variante mit Kokosflocken nicht so gerne“. Ausgefallene Plätzchen-Ausstecher sucht man bei der Münchnerin vergeblich: „Die brauche ich nicht.“ Für ihre „Linzer Augen“ greift die Hobbybäckerin auf einen Fingerhut und ein Schnapsglas zurück. „Das habe ich von meiner Mutter abgeschaut.“
Familien-Traditionen zu Weihnachten werden bei den Rosenkranz seit Jahrzehnten liebevoll gepflegt. Während sich bei den Plätzchen alle einig sind, gibt es Jahr für Jahr Diskussionsbedarf, was zu Heiligabend auf den Tisch kommen soll. Ehemann Horst könnte sich einfach nur mal Würstel mit Kartoffelsalat vorstellen – doch damit kommt er nicht durch. Garantiert auch heuer nicht.
In der Familie hat sich seit den 1980er-Jahren selbst gestecktes Schaschlik eingebürgert. Und so wird es auch heuer wieder sein: Nach dem Schaschlik steht ein gut gefüllter Plätzchenteller auf dem Tisch.
Auf den ist alle Jahre wieder Verlass. Zum Glück.