Der Dax steuert auf einen Wochenverlust von über 14 Prozent zu. Das erinnert an Finanzkrisen-Zeiten. Was macht die Anleger so panisch?
Die Anleger haben Angst, dass die Wirtschaft im Euroraum in eine Rezession abrutscht, was üble Folgen für die Unternehmen hätte. Darauf reagieren natürlich die Aktienkurse.
Auch die US-amerikanischen Indizes sind drastisch abgerutscht, obwohl das Coronavirus dort noch kaum aufgetreten ist.
Das Virus hat sich von China auf andere asiatische Länder und Europa ausgebreitet. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Virus Amerika erreicht. Also befürchten Anleger auch dort eine Rezession.
Rechnen Sie mit einer Rezession in Deutschland?
Im ersten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft alleine schon deshalb schrumpfen, weil die Exporte nach China einbrechen werden. Weil sich das Virus in Deutschland erst jetzt auszubreiten beginnt, ist ein Minus auch im zweiten Quartal möglich. Insofern kann ich eine technische Rezession nicht ausschließen, auch wenn sich die deutsche Wirtschaft nach dem Abflauen der Epidemie wieder erholen dürfte.
Was konkret macht den Unternehmen derzeit Probleme?
Erstens leiden die Unternehmen zum Teil unter massiven Absatzeinbrüchen in China. Zweitens kommt mit zunehmender Dauer der Krise der Nachschub aus China ins Stocken. Es reicht ja schon, wenn ein einziges Teil fehlt, um bei einem Unternehmen hierzulande die Produktion lahmzulegen. Die dritte Sorge ist, dass sich das Virus weiter ausbreitet, Mitarbeiter ausfallen oder sogar ganze Werke wegen Quarantäne geschlossen werden müssen. Wir haben in China gesehen, dass dort das wirtschaftliche Leben drei Wochen lang weitgehend stillstand.
Sollten die Notenbanken jetzt aktiv werden, um die Wirtschaft zu stützen?
Jetzt ist nicht die Stunde der Notenbanker, sondern der Gesundheitspolitiker. Sie haben es in der Hand, durch eine konsequente und entschlossene Bekämpfung der Epidemie die Lage zu stabilisieren und das Vertrauen der Bevölkerung wieder herzustellen. Das ist die Voraussetzung dafür, die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten. Die Notenbanken können hier wenig bewirken – zumal sie ja auch ihr Pulver bereits weitgehend verschossen haben.
Wer noch Reaktionsmöglichkeiten hat, ist der Staat. Viele fordern jetzt Hilfen und steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, manche sogar Konjunkturprogramme. Was halten Sie davon?
Wir haben hier ein medizinisches Problem, für das in erster Linie Gesundheitsbehörden und -Politiker zuständig sind. Wir brauchen jetzt kein hektisch zusammengestricktes Konjunkturprogramm, das ohnehin erst wirken würde, wenn die Epidemie wieder vorbei ist. Natürlich haben die Verbände Recht, wenn sie für die Unternehmen in Deutschland bessere Rahmenbedingungen fordern. Aber das gilt unabhängig von dem Virus.
Viele Kleinanleger, die neu an der Börse sind, erleben jetzt den ersten Härtetest, wenn sie die Einbrüche in ihrem Depot sehen.
Die Aktienmärkte sind im freien Fall. Das wird vermutlich auch noch eine Zeit lang so weitergehen. Allerdings wird irgendwann der Punkt kommen, an dem Aktien wieder günstig bewertet sind und die ersten Mutigen wieder zugreifen. Dann steigen auch die Kurse wieder – zumal es wegen der mickrigen Zinsen ja unverändert kaum Anlagealternativen gibt.
Interview: Corinna Maier