Ganserl braucht Auslauf

von Redaktion

Zum Martinstag hat die Gans Konjunktur. Doch gerade bei diesem Geflügel ist entscheidend, woher es stammt.

VON HEIDRUN SCHUBERT*

Der 11. November ist bekanntlich der Gedenktag an den heiligen Sankt Martin. Ein Auszug aus der Legende erklärt, warum gerade die Gans das beliebteste Essen an diesem Tag ist: Als der äußerst bescheidene Martin von seiner Wahl zum Bischof erfuhr, versteckte er sich im Gänsestall, um vor der begeisterten Bürgerschar zu fliehen. Doch die Gänse schnatterten lautstark und verrieten den jungen Mann. Es scheint, als müssten die Gänse seitdem dafür büßen: „Sie haben den Martin verraten, deshalb müssen sie jetzt braten.“

Seit dem frühen Mittelalter war der Martinstag aber auch Zinstag. Zum Ende des bäuerlichen Jahres wechselten die Mägde und Knechte ihre Arbeitsstellen. Zum Abschied wurden oft die Fleißigen unter ihnen von ihren Gutsherren mit einer Gans beschenkt. Interessant ist auch, dass früher an diesem Tag eine 40-tägige Fastenzeit vor Weihnachten begann. Sinnvoll wäre das auch heute, bei all den kulinarischen Verlockungen.

Wer aber nicht auf die Gans verzichten will, sollte sie aus artgerechter Tierhaltung wählen. Gänse aus artgerechter Haltung erkennt man am Bio-Siegel oder den EU-weit gültigen, geschützten Bezeichnungen „Freilandhaltung“, „Bäuerliche Freilandhaltung“ und „Bäuerliche Freilandhaltung unbegrenzter Auslauf“. Bio- und Freilandhaltung bieten nicht nur den Tieren ausreichend Auslauf und eine natürliche Fütterung, sondern sorgen auch für Weihnachtsgänse mit schmackhaftem Fleisch und wenig Fettgewebe.

Bei diesen europaweit gesetzlich definierten Haltungsformen müssen bei der Freilandhaltung mindestens vier Quadratmeter Auslauf pro Tier, bei der bäuerlichen Freilandhaltung sogar zehn Quadratmeter pro Gans oder sogar unbegrenzter Auslauf garantiert sein. Außerdem ist festgelegt, wie viele Tiere maximal in einem Stall untergebracht werden dürfen.

Neben den verschiedenen Formen der Freilandhaltung ist noch die extensive Bodenhaltung gesetzlich definiert. Die Mindestkriterien der „extensiven Bodenhaltung“ garantieren bereits mehr Platz pro Tier und eine längere Mast im Vergleich zur üblichen Intensivhaltung. Beim heimischen Erzeuger oder auf Erzeugermärkten ist davon auszugehen, dass das Federvieh langsam gemästet wurde, genügend Auslauf und ein vergleichsweise gutes Leben hatte. Allerdings empfiehlt es sich auch hier, nach der Herkunft und Haltung des Geflügels zu fragen, um einen Zukauf von Tieren auszuschließen.

Zwangsmast und Lebend-rupf von Gänsen zur Produktion von Stopfleber und Daunenprodukten ist nicht kennzeichnungspflichtig. Umso wichtiger darauf zu achten, dass die Gans aus Deutschland oder anderen EU-Ländern stammt, in denen Stopfleberhaltung und Lebendrupfen nicht erlaubt sind.

Für die Produktion von Stopfleber ist die Zwangsmast von Gänsen in Belgien, Ungarn, Frankreich, Bulgarien und Spanien immer noch erlaubt. Mithilfe eines Rohres bekommen die Tiere statt der üblichen 200 Gramm Futter pro Tag mehr als ein Kilo Futter in den Hals gestopft. Auf diese Weise erreichen die Gänse in nur zehn Wochen ausreichend Gewicht und die Leber vergrößert sich durch Fetteinlagerung um ein Vielfaches.

Auch im Supermarkt sollte die deutsche Herkunft die erste Wahl sein. 85 bis 95 Prozent der Gänse, die hier angeboten werden, stammen aus Ungarn und Polen. Noch müssen die Kunden beim Gänsekauf allein den selbst verliehenen Hersteller-Angaben „Keine Stopfmast“ und „Kein Lebend-rupf“ vertrauen. Nicht eindeutig gekennzeichnete Produkte aus Bulgarien, Frankreich, Polen und Ungarn sollten links liegen bleiben.

Achtung: Angaben wie „bäuerliche Aufzucht“ oder „tiergerechte Haltung“ sind nicht geschützt. Während in Deutschland die Gänse meist sechs Monate gemästet werden, gibt es in anderen Ländern kürzere Mastzeiten. Oft werden die Tiere in nur zehn Wochen mit konzentriertem Kraftfutter gemästet und unter der Bezeichnung „Frühmastgans“ oder „Junggänsemast“ verkauft.

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