Recht

Gerichtsurteile mit Folgen

von Redaktion

Maik Heitmann

Gerichtsurteile sind nicht immer leicht verständlich. Wir erklären die Folgen ausgewählter Richtersprüche.

Lastschrift bei Online-Händlern

Bietet ein Online-Versandhändler Kunden mit deutschem Wohnsitz die Zahlung per Lastschrift an, so darf es nicht ablehnen, das Geld von einem im EU-Ausland bestehenden Konto einzuziehen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe ein entsprechendes Urteil erstritten. Denn Händler dürften es nicht vorschreiben, in welchem Land der Europäischen Union sie ihr Konto zu führen haben. Das sei vor allem bedeutsam für viele Grenzpendler, die in Deutschland wohnen, aber in einem Nachbarland arbeiten (OLG Karlsruhe, 4 U 120/17).

Unfall in Einkaufsgeschäft

Stürzt eine (hier: 66-Jährige) Frau in einem Modehaus in eine geöffnete Fußbodenluke (die hier zum Bügelkeller führt) und verletzt sie sich dabei schwer, so kann sie von einer Mitschuld komplett ausgenommen sein. Denn mit einer solchen Öffnung im Fußboden, die hier etwa zwei Meter mal 80 Zentimeter groß war, muss ein Kunde in einem Kaufhaus nicht rechnen. Die Haftpflichtversicherung des Modehauses muss der Krankenkasse der Frau, die Behandlungskosten in Höhe von rund 21 000 Euro bezahlt hatte, den Aufwand voll erstatten. Die Aufmerksamkeit von Kunden in einem solchen Geschäft sei „zielgerichtet durch die auf den Kleiderständern angebotenen Waren, Preisschilder und sonstige Hinweisschilder“, sodass sie von anderen Dingen gewollt abgelenkt werden. Eine solche Bodenluke dürfe deswegen nur außerhalb der Geschäftszeiten geöffnet werden (OLG Hamm, 9 U 86/17).

Narrenfreiheit für Kinder

Das Landgericht Koblenz hat einem sechs- und einem siebenjährigen Jungen indirekt zugestanden, sich im Straßenverkehr relativ „frei“ bewegen zu können. Denn es sei zu berücksichtigen, „dass Kinder erfahrungsgemäß dazu neigten, Vorschriften und Anordnungen zu missachten und sich unbesonnen zu verhalten“. Daneben bestehe „das Ziel, sie zu selbstständigem und selbstverantwortlichem Handeln zu erziehen“. Behaupten die Eltern, ihre Kinder über die Gefahren im Straßenverkehr aufgeklärt und auch weitgehend überwacht zu haben, so kann ihnen keine Verletzung ihrer Aufsichtspflicht vorgeworfen werden, wenn die Kinder mit ihren Fahrrädern nicht – wie für sie vorgeschrieben – auf dem Bürgersteig, sondern auf der (hier wenig befahrenen) Straße gefahren sind und dabei parkende Autos beschädigt haben, indem sie mit ihren Lenkern zu dicht an ihnen vorbeigefahren sind. Und dass die Lenker an ihren Enden nicht mit Gummistopfen ausgestattet gewesen seien, spiele ebenfalls keine Rolle, weil eine solche Verpflichtung nicht bestehe. Die Schäden (hier in Höhe von 8000 Euro) hätten letztlich auf dem eigenmächtigen Entschluss der Kinder beruht, „ein verkehrswidriges Wettrennen zu veranstalten“ (LG Koblenz, 13 S 2/18).

Lärm nach Umbau in der Wohnanlage

Wird in einer Wohnung einer Eigentumsanlage ein Dachgeschoss ausgebaut, so richtet sich der (für die darunter wohnenden Eigentümer) hinzunehmende Trittschall grundsätzlich nach dem im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Schutzwerte, falls die Gemeinschaftsordnung nicht andere Regeln vorsieht. Das gilt sogar dann, wenn ein vorhandener Bodenbelag durch einen anderen ersetzt wird – auch wenn zuvor ein Belag mit höherem Schallschutz verlegt worden war. Anderes gilt allerdings, wenn bei den Arbeiten in den unter dem Belag vorhandenen Estrich und die Geschossdecke eingegriffen worden ist. In solchen Fällen kommt es auf die Trittschalregeln im Zeitpunkt des Ausbaus an (LG Berlin, 55 S 36/16).

Autofahrer hat nach Spurwechsel Schuld

Steht fest, dass ein Autofahrer unmittelbar vor der Kollision mit einem anderen Fahrzeug den Fahrstreifen gewechselt hat, „ohne die hierbei erforderliche Sorgfalt zu beachten“, so trifft ihn die alleinige Schuld. Dies gilt insbesondere dann, wenn die ursprüngliche Unfalldarstellung, wonach der Fahrstreifenwechsler zunächst einen Schlag an seinem Pkw hinten rechts verspürt haben und dadurch nach rechts ins „Schlingern“ oder „Schlenkern“ geraten sein will, „durch das Ergebnis einer umfangreichen Beweisaufnahme widerlegt ist“ (OLG München, 10 U 2164/13).

Kündigung nach Krankheit möglich

In (Klein-)Betrieben, für die der gesetzliche Kündigungsschutz nicht gilt, wird nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn den Beschäftigten „krankheitsbedingt gekündigt“ wird. Dies bekam eine Arzthelferin zu spüren, die „wiederholt arbeitsunfähig krank“ war und entlassen wurde, ohne dass die in solchen Fällen übliche Prüfung vorgenommen wurde, ob das auch für die Zukunft so zu erwarten wäre. Und ferner ohne Prüfung der „Sozialverträglichkeit“ mit Blick auf Kolleginnen und Kollegen in der Praxis. Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber sogar während einer Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiterin gekündigt, was vom Gericht als rechtens anerkannt wurde. Sie habe im Labor der Praxis gearbeitet, was bei häufigerem Fehlen Probleme bereitet hätte (LAG Rheinland-Pfalz, 1 Sa 89/16).

Artikel 2 von 4