„Bäume pflanzen ist nicht ausreichend“

von Redaktion

Mit einem Plädoyer für den Wirtschaftswald sorgt Helmut Brunner für Verstimmung in seinem ehemaligen Agrarministerium. Er fordert eine Holzbauoffensive statt zusätzlicher Stilllegungen. Seine Nachfolgerin reagiert kühl.

VON DOMINIK GÖTTLER

München – Fünf Herren haben sich im Spatenhaus in München eingefunden. Der prominenteste unter ihnen: Helmut Brunner (CSU), bis März 2018 bayerischer Landwirtschafts- und Forstminister. Dazu sein Parteikollege Eberhard Sinner, ebenfalls Ex-Minister, Prof. Reinhard Mosandl von der TU München, Hans Baur, Ex-Geschäftsführer der bayerischen Waldbesitzervereinigung, und Pater Johannes Wohlmacher, Forstmeister aus Österreich. Sie alle eint, dass sie viele Stunden im Wald verbracht haben. Und was sie dort zuletzt beobachteten, bereitet ihnen Sorgen.

„2019 war ein Katastrophenjahr für den Wald“, sagt Brunner. „Uns treibt die Frage um: Ist der Wald ein Draufzahlgeschäft geworden?“ Wegen der Schäden durch Trockenheit, Hitze, Stürme und Borkenkäfer erlebt die Waldwirtschaft derzeit einen massiven Preisverfall. „Ein 100 Jahre alter Baum bringt im Moment nicht mehr ein als ein zehn Jahre alter Christbaum“, sagt Brunner. „Da stimmt etwas nicht mehr.“

Die Waldbesitzer stehen unter Druck. Doch die aktuelle öffentliche Debatte trägt aus Brunners Sicht nicht dazu bei, dieses Problem zu beheben. Immer wieder wird die großflächige Stilllegung von Waldflächen gefordert. Auch die Staatsregierung hatte diese Forderung aufgegriffen, als Ministerpräsident Markus Söder im Herbst für die Staatsforsten ankündigte, aus dem Wirtschaftswald solle ein Klimawald werden. Es gehe nicht mehr darum, Geld zu verdienen, sondern CO2 zu speichern.

Das stört Brunner und seine Mitstreiter. Ein verantwortungsvoll bewirtschafteter Wald bringe mehr für den Klimaschutz, sagt Waldbauprofessor Reinhard Mosandl. Er gibt aber zu, dass eine langfristige CO2-Speicherung nur dann funktioniere, wenn Holz nicht nur als Brennmaterial, sondern auch für die Herstellung von Möbeln oder beim Hausbau genutzt werde. „Warum hat Bayern kein Holzbauprogramm?“, fragt der frühere Staatsminister und Forstdirektor Eberhard Sinner. „Es darf nicht so weit kommen, dass die Waldbesitzer resignieren und ihr Schadholz nicht mehr aufarbeiten“, sagt Brunner. Entweder, weil es sich wirtschaftlich nicht mehr lohne. Oder, weil sie glaubten, ein stillgelegter Wald sei ohnehin besser.

Brunner betont, es gehe ihm nicht in erster Linie darum, Kritik an der Politik zu üben. Triebfeder der Initiative sei die Sorge um den Wald. Aber mit Blick auf Söders Ankündigung, 30 Millionen Bäume pflanzen zu wollen, sagt er auch: „Bäume pflanzen ist edel, aber nicht ausreichend.“ Brunner fordert 100 Millionen Euro jährlich von der Staatsregierung, um die Zukunft für das Wald- und Holzland Bayern zu sichern.

Forstministerin Michaela Kaniber (CSU) regiert verstimmt auf den Vorstoß ihres Vorgängers. Es sei notwendig, ökologisch besonders wertvolle Staatswälder der Natur zurückzugeben. Die Staatsregierung werde Weichenstellungen vornehmen, die weit über Entscheidungen vergangener Zeiten hinausgehen, um Klimaschutz, Artenschutz, Waldbewirtschaftung und Holzverwendung in Einklang zu bringen, betont sie. Dazu gehöre auch, den Waldbesitzern attraktivere Anreize für den klimafesten Umbau ihrer Wälder zu bieten. Im Februar sei zudem ein Runder Tisch mit Akteuren aus dem Forst- und Holzsektor geplant, um das Bauen mit Holz voranzubringen.

Auch Naturschützer zeigen sich irritiert: Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz betont, dass die Stilllegung von Waldflächen nicht primär für den Klimaschutz wichtig sei. „Hier geht es um den Artenschutz.“ Die Erfahrungen etwa aus dem Nationalpark Bayerischer Wald zeigten, dass dort ausgestorbene Arten wieder auftreten. „Lebensräume für Altwaldarten wie den Weißrückenspecht bekommt man in einem Wirtschaftswald nicht hin.“

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