Braunschweig – Hunderttausende Dieselfahrer dürfen auf Entschädigungen von Volkswagen im Zuge des Abgasskandals hoffen: Im Musterprozess mit mehr als 400 000 angemeldeten Klägern steigen VW und Verbraucherschützer in Vergleichsgespräche ein. Das teilten der Autokonzern und der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gemeinsam mit.
Der Prozess am Oberlandesgericht Braunschweig behandelt eine Grundsatzfrage: Haben die Kläger wegen eines Wertverlusts ihrer Autos in Folge der Abgasmanipulationen Anspruch auf Entschädigung? VW stellt den Wertverlust bislang infrage. Zu Prozessbeginn Ende September teilte der Konzern mit: „Noch heute werden die Fahrzeuge täglich von hunderttausenden Kunden gefahren, weshalb es aus unserer Sicht keinen Schaden gibt und damit auch keinen Grund zu einer Klage.“
Die Aufnahme der Gespräche stellt deshalb eine Annäherung da. Noch Mitte November bezeichnete VW einen Vergleich als „kaum vorstellbar“.
Nun heißt es hingegen in der kurzen Mitteilung, dass „eine pragmatische Lösung im Sinne der Kunden“ das gemeinsame Ziel sei. Allerdings seien die Gespräche noch in einem sehr frühen Stadium. „Ob es zu einem Vergleich kommt, ist offen.“
Das Gericht hat auf Verhandlungen gedrängt. Der Vorsitzende Richter Michael Neef forderte VW im November auf, ernsthaft über Vergleichsverhandlungen nachzudenken. Inhaltlich bekräftigte Neef zuletzt, dass sich die Kunden im Falle von Entschädigungen darauf einstellen müssten, dass die bisherige Nutzung des Autos verrechnet würde. Das Gericht war zudem der Auffassung, dass Schadenersatzansprüche mit Blick auf vertragliche Pflichtverletzungen schwierig sein dürften, weil die meisten Kunden ihren Kaufvertrag nicht mit dem VW-Konzern, sondern mit Händlern abgeschlossen hätten.
Sollten die Verhandlungen von VW und vzbv erfolgreich sein, kann jeder an der Musterfeststellungsklage beteiligte Verbraucher entscheiden, ob er den Vergleich gelten lassen oder ablehnen will. Stimmen mehr als 70 Prozent zu, ist der Rechtsstreit für diese Kunden abgeschlossen. Wer den Vergleich abgelehnt hat, kann einzeln gegen das Unternehmen klagen. Lehnen aber mindestens 30 Prozent den Vergleich ab, fällt das Gericht ein Urteil.
Schwierig werden die Verhandlungen unter anderem dadurch, dass die Zahl der für die Klage registrierten Verbraucher laut VW nicht genau geklärt ist. So hat es dem Konzern zufolge rund 470 000 Anmeldungen, aber auch 77 000 Abmeldungen gegeben, die das Bundesamt für Justiz noch nicht vollständig verarbeitet habe. Zudem könnte es Doppeleinträge und Anmeldungen geben, hinter denen mehrere Dieselfahrer stehen. Beide Parteien hatten daher betont, dass der komplette Registerauszug wesentlich für sinnvolle Gespräche sei. Nachträgliche An- und Abmeldungen sind nicht mehr möglich.