Immer mehr Banken nehmen Strafzinsen

von Redaktion

Negativzinsen greifen um sich. Die VR-Bank Fürstenfeldbruck verlangt erstmals Geld für Tages- und Festgeld-Guthaben ab dem ersten Euro. Bestandskunden sollen aber geschont werden.

VON MARTIN PREM

Fürstenfeldbruck – Immer mehr Sparer müssen fürs angelegte Geld Strafzinsen zahlen oder „Verwahrentgelte“, wie die Geldwirtschaft bevorzugt formuliert. 147 Geldhäuser in Deutschland nehmen Geld von Geschäftskunden, 52 von Privatkunden fürs Geld auf dem Tagesgeldkonto. Tendenz stark steigend. Enthalten in dieser Zahl des Finanzportals Biallo.de sind auch Banken, die die Strafzinsen in den Kontoführungsgebühren verstecken, wie Biallo-Experte Sebastian Schick gegenüber unserer Zeitung sagt. Von einem Dammbruch spricht nun das Vergleichsportal Verivox, weil mit der VR-Bank Fürstenfeldbruck erstmals eine Bank ab dem ersten Euro auf dem Tagesgeldkonto 0,5 Prozent Verwahrentgelt nimmt. Das Gleiche gilt auch für Festgelder.

Allerdings verwahrt sich die Bank gegen den Vorwurf, ihre Bestandskunden damit zu belasten: „Für unsere Kunden gilt weiter ein unbegrenzter Freibetrag in voller Höhe der bisherigen Einlage“, teilte Robert Fedinger, Vorstand der VR-Bank Fürstenfeldbruck mit. Und auch für Altkunden, die Geld neu anlegen wollen, werde man Lösungen finden. „Wir reden mit unseren Kunden“, sagt Fedinger.

Von „kaufmännischer Vorsicht“ und einem „Schutzmechanismus für Bestandskunden“ spricht Jürgen Gros, Präsident des Genossenschaftsverbands Bayern.

Es ist zu erwarten, dass andere Banken dem Fürstenfeldbrucker Beispiel folgen. Denn viele Banker geben unter der Hand zu, dass sie darauf gewartet haben, dass einer vorangeht. Es geht um einen Domino-Effekt: Seit erste Banken Negativzinsen einführten, wandern gigantische Summen von Bank zu Bank – möglichst dorthin, wo man fürs Geld noch nicht zahlen muss. Doch die Banken können diesen Geldsegen nicht gebrauchen.

Schon unter normalen Umständen schafft es fast keine Sparkasse oder Genossenschaftsbank, das Geld, das sie von Anlegern bekommen, zu verleihen. Was aber tun mit den Überschüssen? Eine Möglichkeit: in Staatsanleihen anlegen – mit negativer Rendite. Oder: Unternehmensanleihen. Da ist die Lage kaum besser. Oder: notgedrungen bei der EZB parken – für 0,5 Prozent Strafzins pro Jahr.

Zwar hat die EZB mit der letzten Erhöhung des Negativ-Zinssatzes von minus 0,4 auf 0,5 Prozent einen Puffer eingebaut, der kleine Banken entlasten soll. Ein sogenannter Staffelzins lässt bei der Zentralbank geparkte Überschussliquidität bis zum sechsfachen der Mindestreserve strafzinsfrei. Vereinfacht berechnet, betrifft das sechs Prozent der Gelder, die bei einer Bank für Zeiträume bis zu zwei Jahren angelegt sind. Offenbar ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein: Die VR Bank Fürstenfeldbruck hat diesen Puffer schon mit den Guthaben auf Girokonten mehrfach ausgeschöpft, sagt Fedinger. Das bedeutet: Banken, deren Einlagen die ausgereichten Kredite bei Weitem übersteigen (die meisten Genossenschaftsbanken und Sparkassen gehören dazu), kommen den Negativzinsen der EZB gar nicht aus.

Wie kann man da aber die bisherigen Stammkunden schonen? Bei einem Kunden, der sein Girokonto bei der Bank hat, dort ein Depot verwalten lässt und vielleicht noch eine Immobilienfinanzierung hat, geht die Mischkalkulation unter dem Strich noch ohne Strafzinsen auf. Eine Ewigkeitsgarantie dafür gibt derzeit aber keine Bank.

Der jüngste Monatsbericht der Bundesbank zeigt deutlich die tatsächliche Dimension von Negativzinsen. 23 Prozent von 220 befragten Banken meldeten einen „negativen volumengewichteten Durchschnittszinssatz“ bei Sichteinlagen. Das heißt: Fast Jede vierte Bank nimmt mehr an Verwahrentgelten ein, als sie bei den Einlagen privater Haushalte an Zinsen zahlt. Das entspreche einem Anteil von 25 Prozent am Gesamtvolumen der Sichteinlagen privater Haushalte. Sichteinlagen sind Tagesgelder und Guthaben auf Girokonten. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Banken mit Negativ-Zinsen und auch die der betroffenen Sparer in den nächstens Monaten weiter steigt.

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