Berlin – 1,7 Milliarden Euro haben die Verbraucher im Jahr 2018 für Produkte aus fairem Handel ausgegeben. Das sind 15 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor und doppelt so viel wie noch vor fünf Jahren. Das erklärte am Mittwoch Manuel Blendin, Geschäftsführer des Dachverbands Forum Fairer Handel in Berlin. Nur, sagt er selbst, dürften diese Erfolge „nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin geschätzte 99 Prozent des Handels nicht fair sind.“ Genauer: Im Schnitt gaben die Deutschen pro Kopf im vergangenen Jahr gerade einmal 20,50 Euro für faire Lebensmittel, Textilien und Handwerksprodukte aus. Wo hakt es und was bringt es? Drei Beispiele.
Kaffee
Das Pfund Kaffee gibt es beim Discounter derzeit schon mal für knapp drei Euro. Der Preisdruck ist enorm, das Gros des Kaffees werde über Sonderangebote verramscht, erklärt Jonas Lorenz, der die Branche für das Forum seit langem beobachtet. Der Markt für das Lieblingsgetränk der Deutschen – im Schnitt trinkt jeder 164 Liter im Jahr – sei von einem extremen Machtgefälle geprägt. Der Weltmarktpreis liegt derzeit bei 1,05 US Dollar pro amerikanischem Pfund (rund 453 Gramm) Kaffee der Sorte Arabica.
Das Gegenmodell: Die Bauern bekommen beim fairen Handel einen Mindestpreis, derzeit 1,40 US-Dollar. Dazu kommen ein Aufschlag für die Kooperativen von 20 US-Cent etwa für den Ausbau von Schulen oder medizinischer Versorgung sowie weitere 30 US-Cent, wenn die Bohnen bio sind. Das hilft. Trotzdem muss jeder Bauer kämpfen.
Milch
Milchbauer Jakob Sichler hat vor Kurzem den Hof seiner Eltern im Berchtesgadener Land übernommen und hält jetzt 45 Kühe. Ihre Milch, Bioqualität, liefert er an die Molkerei Berchtesgadener Land. Die ist im Vergleich zu Konzernen wie Deutsches Milchkontor klein, zahlt aber einen überdurchschnittlichen Preis – 54 Cent pro Liter.
Sichler, dessen Milch mit dem „Naturland Fair“-Zeichen im Ladenregal steht, sagt: „Wir arbeiten mit der Molkerei auf einer freundschaftlichen Basis, das sind nicht die Feinde, die den Preis so niedrig wie möglich halten.“ Milch gibt es in den hiesigen Geschäften sonst oft zum Schleuderpreis. Zwar wurden bundesweit in Läden und Supermärkten 2018 faire Lebensmittel aus Europa im Wert von 112,7 Millionen Euro verkauft, dennoch, bleibt die Frage, was den Kunden wichtiger ist: Preis oder Gewissen.
Bananen
Lidl wollte der erste Discounter sein, der nur noch Fairtrade-Bananen kauft. Die kosten pro Kilo zehn bis zwanzig Cent mehr als das herkömmliche Pendant. Doch Lidl gab die Pläne wieder auf. Das Management erklärte, die Kunden seien nicht bereit gewesen, den Aufpreis zu zahlen. Zumal die Konkurrenz den Vorstoß mit besonders günstigen Angeboten konterte. Zwar ist die Banane das absatzstärkste fair gehandelte Produkt in Deutschland (Marktanteil 14 Prozent). Die Konsumenten seien aber „sehr preissensibel“, meinte Blendin – und forderte ein Gesetz zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen.