Frankfurt – Lange zierten sie sich, nun scheint der politische Druck Wirkung zu zeigen. Von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und Commerzbank-Chef Martin Zielke werden Antworten auf die Frage gefordert, ob eine Fusion der beiden Großbanken Sinn machen würde – oder eben nicht. Bei der teilverstaatlichten Commerzbank hat der Staat ein gewichtiges Wort mitzureden. Und auch der Druck auf die angeschlagene Deutsche Bank ist seit Monaten groß.
Was will die Politik?
Schon lange gibt es den Wunsch nach einem „nationalen Champion“ – einer starken deutschen Bank, die auch international wettbewerbsfähig ist und mit den großen chinesischen und US-amerikanischen Häusern dauerhaft mithalten kann. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte im August 2018 fest: Es sei ein Problem für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche, „dass die Banken nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“.
Wo stehen Deutsche Bank und Commerzbank?
In der Weltspitze spielen die beiden größten börsennotierten deutschen Banken seit geraumer Zeit nicht mehr mit. In der jüngsten Rangliste der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) aus dem April 2018 liegt die Deutsche Bank nach Bilanzsumme auf Platz 15, die Commerzbank rutschte auf Rang 54. Die ersten vier Plätze in dem Ranking belegen Institute aus China, noch vor der größten US-Bank JP Morgan Chase (Platz 6), der HSBC als Nummer 1 in Europa (Platz 7) und der BNP Paribas (Platz 8) als führendem Institut im Euroraum. An der Börse ist die Deutsche Bank – immerhin Deutschlands größtes Geldhaus – aktuell gerade noch gut 16 Milliarden Euro wert, die Commerzbank rund 9 Milliarden Euro.
Was sind die Probleme der beiden deutschen Großbanken?
Der deutsche Bankenmarkt ist hart umkämpft, neben Privatbanken buhlen 384 Sparkassen und 875 Volks- und Raiffeisenbanken sowie etliche ausländische Institute um Privat- und Firmenkunden. Die historisch niedrigen Zinsen im Euroraum und hohe Regulierungskosten erschweren der Branche das Geldverdienen zusätzlich. Bei der Deutschen Bank kamen hausgemachte Probleme hinzu, vor allem ein Berg juristischer Streitigkeiten, deren Beilegung Milliarden kostete und das Image beschädigte. Die Commerzbank hat im vergangenen Jahr zwar etwa zweieinhalb Mal so viel verdient wie die Deutsche Bank, sieht sich bei ihrem seit Jahren laufenden Konzernumbau inklusive des Abbaus tausender Stellen aber auch noch nicht am Ziel. Das Institut stieg im Herbst sogar vom Dax in den MDax ab.
Wollen Deutsche Bank und Commerzbank überhaupt eine Fusion?
Bei der Bilanzvorlage Anfang Februar präsentierte sich Deutsche-Bank-Chef Sewing kämpferisch. Die Bank habe ein „stabiles Fundament“ und eine „starke Bilanz“. Der Vorstand habe einen klaren Wachstumsplan für 2019: „Wir haben es selbst in der Hand.“ Auch Commerzbank-Chef Zielke lächelte die Fusionsgerüchte weg. Nun reden beide Seiten doch miteinander – „ergebnisoffen“, wie sie betonten.
Welche Vorteile hätte eine Fusion?
Vor allem die Kosten könnten auf Dauer sinken. Schon im Sommer 2018, als die Gerüchte hochkochten, hatte das Analysehaus RBC die möglichen Einsparungen auf 2,1 Milliarden Euro beziffert. Bei der Modernisierung der IT und beim Megathema Digitalisierung könnten die Institute Kräfte bündeln. Mit mehr als 30 Millionen Privatkunden und größeren Marktanteilen im Firmenkundengeschäft könnte ein größeres Institut beim Thema Preisgestaltung gegenüber der Konkurrenz punkten.
Was spricht gegen einen Zusammenschluss?
Eine Fusion würde immens Arbeitsplätze kosten. Die Gewerkschaft Verdi rechnet im schlimmsten Fall mit dem Abbau von 30 000 Jobs, die Aktionärsvereinigung DSW sogar mit dem Rauswurf von bis zu 50 000 Mitarbeitern. Ende 2018 beschäftigten die beiden Institute zusammen gut 133 000 Vollzeitkräfte. Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung lässt sich aber nicht von heute auf morgen umsetzen – und er wird erhebliche Kosten verursachen. Als weitere Hürde sehen Analysten einen möglicherweise sehr hohen Bedarf an frischem Kapital. Sollte das fusionierte Institut als systemrelevant eingestuft werden, würden Aufseher dickere Kapital-Puffer für Krisenzeiten verlangen. Insgesamt sind die Zweifel groß, dass eine Fusion die Probleme lösen würde – zumal die beiden Banken viele überlappende Geschäftsfelder haben.
Wie erfolgreich waren bisherige Großfusionen?
Die Dresdner-Bank-Übernahme mitten in der Finanzkrise 2008 brachte die Commerzbank an den Rand des Abgrunds. Steuermilliarden retteten das Institut. Bis heute ist der Bund mit gut 15 Prozent größter Anteilseigner der Commerzbank – und kann dieses Gewicht in der aktuellen Diskussion in die Waagschale werfen. Die Deutsche Bank hat die Integration der Postbank fast zehn Jahre nach der Übernahme nicht bewältigt. Skeptiker befürchten, die Institute könnten im Falle einer Fusion über Jahre mit sich selbst beschäftigt sein – ausgerechnet in einer Zeit, in der aufstrebende Finanz-Start-ups sowie Tech-Konzerne wie Apple, Google und Co. den Geldhäusern zunehmend Konkurrenz machen.
Welchen Einfluss hat der Staat?
Bei der Commerzbank hat der Staat über seine Aktienbeteiligung direktes Mitspracherecht. Aber auch die Möglichkeit, Druck auf die angeschlagene Deutsche Bank aufzubauen, ist nicht zu unterschätzen. Finanzstaatssekretär Jörg Kukies, der zuvor Deutschlandchef von Goldman Sachs war, traf sich offiziellen Angaben zufolge allein im vergangenen Jahr fast zwei dutzend Mal mit führenden Vertretern der Deutschen Bank. Gestern betonte Scholz indes: „Es sind private Banken, sie treffen ihre eigenen Entscheidungen.“