Acht Irrtümer zu Abgasen

von Redaktion

München – Die gegenwärtige Diskussion über Schadstoffe wird nicht immer sachlich geführt. Selbst in sogenannten Faktenchecks werden häufig Behauptungen als Fakten verbreitet, die einer ernsthaften Überprüfung nicht standhalten. Hier acht der meistverbreiteten Irrtümer und Halbwahrheiten zu Luftschadstoffen.

„Stickoxide haben keine natürliche Quelle.“

Die meisten Stickoxide, auf der Erde entstehen durch Blitzschlag. In den USA gehen bis zu 90 Prozent der Stickoxide darauf zurück. Ohne diese Stickoxide, die sich mit Wasser zu salpetriger Säure oder Salpetersäure verbinden und mit alkalischen Verbindungen zu Nitraten oder Nitriten werden, wäre Leben auf der Erde gar nicht möglich. Sie sind für alle Stoffwechsel-Vorgänge unverzichtbar. Stickstoffmonoxid (NO) ist darüber hinaus ein wichtiger Botenstoff in allen tierischen und menschlichen Organismen.

„Stickoxide haben einen stechenden chlorähnlichen Geruch.“

Das ist richtig, führt aber in die Irre. Den Geruch kann jeder feststellen, der Kupfer mit konzentrierter Salpetersäure in Verbindung bringt (nicht zu empfehlen). Es entwickelt sich zunächst NO. Das zunächst geruchlose Gas nimmt dann eine bräunliche Färbung an. Das ist Stickstoffdioxid (NO2). Der in diesem Versuch deutlich wahrnehmbare Geruch ähnelt dem von Chlor. Selbst die höchsten Konzentrationen an NO2, die im dichten Autoverkehr zu erwarten sind, liegen unterhalb der Wahrnehmbarkeitsschwelle. Wer im Verkehr einen unangenehm stechenden Geruch feststellt, sollte sich fragen, was an Gift er wahrnimmt. Stickoxide sind es nach menschlichem Ermessen nicht.

„Stickoxide sind selbst in geringsten Dosen schädlich.“

Falsch: Stickoxide waren immer in geringen Dosen in der Atmosphäre. Es ist – wie oben ausgeführt – für alle Organismen lebensnotwendig. Die Dosis macht das Gift. Toxikologische Untersuchungen ergaben Giftwirkungen bei gesunden Menschen erst im Bereich von deutlich über einem Milligramm. Daher rührt auch der darunter liegende Wert von 950 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK).

„Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid wurde festgesetzt, um auch vorgeschädigte Personen zu schützen.“

Es gibt keine Untersuchung, in der belegt wurde, dass Menschen bei dieser Konzentration Schaden nehmen. Die in Hinblick auf NO2 sehr strenge US-Umweltbehörde empfiehlt diesem Personenkreis, bei Konzentrationen über 200 Mikrogramm intensiven Sport im Freien zu vermeiden. Untersuchungen, die der entsprechenden Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde liegen, haben zum Ergebnis gehabt, dass 40 Mikrogramm ein starkes Indiz für weitere verkehrsbedingte Emissionen sind, die insgesamt gesundheitsgefährdend sind. Die WHO hat immer auf diesen Charakter von Stickoxiden als Hinweisgeber hingewiesen und Aussagen zu dessen unmittelbarer Schädlichkeit vermieden. Wissenschaftler sprechen von Korrelation im Gegensatz zu Kausalität. Das ist aber bei der Umsetzung der WHO-Empfehlung in einen EU-Grenzwert irgendwie verloren gegangen.

„Wer Stickoxide vermindert, begrenzt auch andere Schadstoffe in der Luft.“

Das lässt sich naturwissenschaftlich oder technisch nicht begründen. Wer die Stickoxide als Indikator reduziert und hofft, dass damit auch andere Schadstoffe reduziert werden, handelt wie ein Arzt, der das Fieberthermometer als Hinweisgeber versteckt und glaubt, damit die Tuberkulose zu therapieren. Ein SCR-Katalysator, der Stickoxide mithilfe von Harnstoff (Adblue) reduziert, lässt andere Schadstoffe völlig unangetastet. Allenfalls kann bei falscher Dosierung Ammoniak entstehen. Dann würde ein Schadstoff durch einen schädlicheren ersetzt.

Epidemiologische Studien erfassen ohne Differenzierung Krankheits- und Todesfälle, deren Ursachen viele Jahrzehnte zurückliegen können. Viele Gifte, die die tatsächliche Ursache dieser statistisch erfassten Todesfälle sein können, sind aus den Verkehrsemissionen durch die Umweltgesetzgebung weitestgehend eliminiert worden: Unter anderem Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Schwefeltrioxid, Bleiverbindungen, Asbest, die noch vor 30 Jahren in allen verkehrsbedingten Emissionen in hohen Dosen enthalten waren.

Für ihre Spätwirkungen Stickoxide verantwortlich zu machen, ist unseriös. Man kann feststellen, dass ein Mensch, der im Alter von 82 Jahren und 8 Monaten statt im statistisch erwarteten Todeszeitpunkt von 82 Jahren und 10 Monaten stirbt, vorzeitig verstorben ist. Niemand kann aber feststellen, was konkret diesen vorzeitigen Todesfall verursacht hat.

„Stickoxide sind eine Vorläufersubstanz von Feinstaub.“

Das ist eine von vielen Halbwahrheiten zum Thema, vielleicht genährt von dem Wunsch, die nicht beweisbare Schädlichkeit der gemessenen Stickoxidkonzentrationen wenigstens auf diesem Umweg herleiten zu können. Tatsächlich werden Stickoxide in Wasser zu Säuren und als solche Bestandteil von Salzen. Große Mengen dieser Salzmoleküle können Kristalle bilden, die zur Feinstaubbelastung beitragen könnten.

Doch ein Großteil sinkt rasch ab und wirkt im Boden als Dünger. Dass die in der Luft verbleibenden Partikel einen nennenswerten Beitrag zum Feinstaub in der Luft leisten könnten, ist weder belegt noch naturwissenschaftlich plausibel.

„Stickoxide sind eine Vorläufersubstanz von Ozon.“

Auch das ist eine Halbwahrheit: NO2 kann unter bestimmten Umständen mit dem Sauerstoff in der Luft (O2) reagieren. Dann wechselt ein Sauerstoffatom (O) den Partner. Aus NO2 wird Stickstoffmonoxid (NO), aus Sauerstoff wird Ozon (O3). Da mit den Autoabgasen aber überwiegend NO in die Atmosphäre entweicht, verläuft der Partnertausch in den meisten Fällen umgekehrt: Ozon wird durch die Bildung von NO2 abgebaut. Dieser Zusammenhang ist auch die Erklärung dafür, dass die Ozonkonzentrationen in ländlichen Gegenden signifikant höher sind als an Verkehrsknotenpunkten.

„Beim Feinstaub kommt es vor allem auf die Partikelgröße an.“

Das ist beinahe richtig. Giftige Partikel können, wenn sie kleiner sind, schwerer vom Organismus abgewehrt werden und damit größere Schäden verursachen.

Es kommt aber mindestens ebenso auf die Zusammensetzung des Feinstaubs an. Asbesthaltiger Bremsabrieb ist selbst in geringen Konzentrationen schädlich. Pilzsporen, die im Sommer und Herbst jeden Waldspaziergang zu einem Marsch durch enorme Feinstaubfrachten machen, sind wohl auch in sehr hohen Konzentrationen eher harmlos.

Auch beim Feinstaub wäre eine wesentlich differenziertere Betrachtung, als sie in den statistischen Auswertungen epidemiologischer Studien möglich ist, sicherlich hilfreich. MARTIN PREM

Artikel 3 von 4