Handwerk: Kaum noch Luft nach oben

von Redaktion

VON STEPHANIE EBNER

München – Ein möglicher ungeordneter Brexit ist für viele Wirtschaftsakteure das herrschende Thema. Nicht so für das oberbayerische Handwerk: Allein für die Münchner und oberbayerischen Betriebe lag die Auslastung im vierten Quartal bei 81 Prozent. Das ist gerade mal ein Prozentpunkt weniger als noch vor einem Jahr.

„Die durchschnittliche Auslastung ist kaum mehr steigerungsfähig“, sagte Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Vier von zehn Betrieben melden Vollauslastung. Das Auftragspolster legte im Berichtszeitraum um 0,6 Wochen auf 8,1 Wochen zu. Im Baugewerbe müssten Auftraggeber sogar neun Wochen auf einen Handwerker warten. Peteranderl: „Ein solcher Auftragswert wurde in einem vierten Quartal noch nie erreicht.“

Im abgelaufenen vierten Quartal machte die Branche einen Umsatz von rund 34,8 Milliarden Euro und damit knapp fünf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ein nicht unerheblicher Teil des Umsatzwachstums ist jedoch auch auf Preissteigerungen (aufgrund gestiegener Löhne und Rohstoffe) zurückzuführen. Ein zusätzlicher Schub sei 2019 jedoch nicht zu erwarten: „Ein deutlicheres Plus wäre ohne Frage möglich gewesen. Doch der leer gefegte Fachkräftemarkt gibt dies nicht her.“

Nach Schätzungen der Kammer waren zum Jahresende etwa 303 500 Menschen in München und Oberbayern im Handwerk tätig. Auch wenn im vergangenen Jahr 9900 neue Lehrverträge geschlossen wurden (das ist ein Zuwachs von 1,6 Prozent), blieben im oberbayerischen Raum 1900 Stellen unbesetzt. Peteranderl: „Diese Zahlen machen mir wirklich Sorgen, denn wir brauchen Berufsnachwuchs, um auch in Zukunft genügend Fachkräfte zu haben, die in Handwerksunternehmen arbeiten, sie weiterführen oder neu gründen.“

Die von der Bundesregierung angedachte Mindestvergütung für Auszubildende lehnt Peteranderl vehement ab. Er fürchtet, dass das duale Ausbildungssystem dadurch geschädigt werde. Diese Regelung sei zudem ein „massiver Eingriff in die Tarifautonomie der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften“, kritisiert er.

Ein leichtes Umdenken bei den jungen Leuten hat die Handwerkskammer dennoch registriert: Mittlerweile ergreifen rund zehn Prozent der Abiturienten einen Handwerksberuf. So viele wie noch nie.

Zwar profitiert die Baubranche von dem anhaltenden Zuzug in den Großraum München. Doch durch die Verdichtung des Wohnraums stößt der Individualverkehr an seine Grenzen. Peteranderl warnt: „Ohne baldige Weichenstellungen droht in der Innenstadt bald ein Zusammenbruch.“ Peteranderls Vorschlag lautet: „Hier muss der Wirtschaftsverkehr klar Vorfahrt haben“, will man die Leistungsfähigkeit der Innenstädte auch in Zukunft gewährleisten.

Die Stadt könne sich „ein nahezu kostenloses Anwohnerparken nicht länger leisten“. Derzeit zahlen Bewohner innerhalb des Mittleren Rings in München 40 Euro pro Jahr für einen Stellplatz, während Bewohner in den Randgebieten meist gezwungen wären, einen Tiefgaragenplatz zu mieten.

Wenn es nach der Handwerkskammer geht, müssten die ohnehin begrenzten Parkflächen verstärkt für Taxis, Car-Sharing und eben Handwerksfahrzeuge ausgewiesen werden.

Gleichzeitig forderte der Kammerpräsident, den öffentlichen Nahverkehr im Großraum München auszubauen: „Unter anderem muss die zweite Stammstrecke schnell fertiggestellt werden und die U-Bahn erweitert werden.“ Eine City-Maut für München lehnt das Handwerk dagegen strikt ab.

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