München – Die deutsche Reisebranche will im Falle von Krisen in Touristengebieten künftig enger zusammenarbeiten. Das kündigte der Präsident des Branchenverbandes DRV, Norbert Fiebig, gestern in München an. „Es macht keinen Sinn, dass hier jeder seine eigene Suppe kocht“, sagte er. Die Branche arbeite beim Thema Sicherheit bereits jetzt ohne Konkurrenzgedanke eng zusammen. Auch der Verband übernehme in Krisenfällen die Rolle eines „Verbindungsoffiziers“ zwischen den Mitgliedsunternehmen und dem Auswärtigen Amt.
Im DRV sind Veranstalter wie Tui, Thomas Cook, FTI, Studiosus und DER Touristik organisiert. Dass das Thema Sicherheit bei den Anbietern inzwischen eine große Rolle spielt, hat auch wirtschaftliche Gründe: „Sicherheitsaspekte sind heute auch Entscheidungskriterien bei den Kunden“, sagte DRV-Präsident Fiebig.
Gegenüber dem Individualtourismus sehen sich die Anbieter von Pauschalreisen im Vorteil: „Die klassische Veranstalterreise bietet im Krisenfall eindeutig Vorteile gegenüber einer individuell organisierten Reise“, sagte der Leiter des Krisenstabs beim Münchner Reiseveranstalter FTI, Gerhard Draxler. Der Gast sei gut abgesichert und der Veranstalter betreue betroffene Kunden.
Ein wichtiger Baustein im täglichen Krisenmanagement der Reiseprofis: Ein Frühwarnsystem des IT-Unternehmens A3M. Der Reiseverband hatte die Plattform nach der Tsunami-Katastrophe 2004 entwickeln lassen. Über 200 000 Menschen kamen damals an den Küsten des Indischen Ozeans ums Leben, darunter tausende Touristen. Seitdem gilt die Devise: „Wir müssen einen Überblick darüber haben, was gerade auf der Welt passiert“, sagte Marcel Brandt von A3M.
Die Lösung der IT-Spezialisten: In das System werden Daten über Naturkatastrophen eingespeist, die sich bereits ereignet haben oder noch drohen. Auch Daten über Terroranschläge oder Streiks im Flugverkehr werden eingepflegt. Die Reiseveranstalter füttern die Plattform ihrerseits mit Kundendaten inklusive der Handy-nummer von Urlaubern. Damit ist das Programm in der Lage, eine Landkarte zu erstellen, die einen Überblick über die weltweiten Krisenherde und die Zahl der betroffenen Touristen gibt.
Die Hoffnung der Branche: Bei drohenden Ereignissen wie einem Tsunami können Urlauber binnen Sekunden per SMS gewarnt werden. Und nach Ereignissen wie einem Terroranschlag können die Reisenden umgehend über die Sicherheitslage und das richtige Verhalten informiert werden.
Bilanz 2018: Das System registrierte rund 7000 Ereignisse. Davon hatten über 1000 einen terroristischen Hintergrund. In knapp 1200 Fällen handelte es sich um politische Unruhen oder Demonstrationen, auch wurden 1000 Erdbeben registriert, über 150 bewaffnete Konflikte sowie über 100 tropische Wirbelstürme. Verglichen mit dem Vorjahr ging die Zahl der Ereignisse in fast allen Kategorien zurück, zumal sich viele Katastrophen in Gegenden ereigneten, die touristisch kaum erschlossen sind.
Mirko Jacubowski, Leiter des Krisenstabes beim Anbieter Thomas Cook, fasste die Ereignisse des Jahres 2018 so zusammen: „Die Terroranschläge an touristisch relevanten Destinationen waren zum Glück rückläufig. Wir sehen aber ein Zunahme von Naturkatastrophen, auch vor dem Hintergrund der globalen Erwärmung.“
Jede Reise wird damit immer mit einem Risiko verbunden sein. „Wir sind nicht in der Lage, hundertprozentige Sicherheit zu gewährleisten“, sagte DRV-Präsident Fiebig. „Wir sind aber in der Lage, Frühwarnsysteme zu betreiben.“ Und die sollen Urlaubern zumindest eines bieten: Verlässliche Informationen, im besten Fall noch vor der Katastrophe.