Sirmione – Es ist heiß, Menschenmassen drängeln sich durch die engen Gassen und die Cafés sind voll: Alltag zur Hauptsaison im historischen Zentrum von Sirmione. Der Ort auf der Halbinsel des südlichen Gardasees hat sich in den letzten Jahren zum Hotspot entwickelt. „Seit drei Jahren verzeichnen wir einen sehr starken Touristenzuwachs“, sagte Sabrina Medaglia vom Tourismusbüro Sirmione. Die Zahlen der touristischen Jahresbilanz der Provinz Brescia sprechen für sich: Rund 1,36 Millionen Übernachtungen verbuchte Sirmione im Jahr 2017. Das waren fast sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ist die Gemeinde, die nur rund 8000 Einwohner zählt, der beliebteste Urlaubsort in der Provinz und einer der meistbesuchten Orte am Gardasee.
Ein Grund für den Boom sind auch Touristengruppen, die es zuvor in Sirmione nicht gab: „Chinesische und russische Touristen haben hier in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen“, sagte Sabrina Medaglia. Aber deutsche Touristen führen immer noch die Urlauber-Liste in Sirmione an. Im nur viereinhalb Autostunden entfernten München nennen viele den See in Norditalien sogar schon „Lago di Monaco“.
Während sich vor allem die Touristenbranche über die vielen Besucher freut, blicken Umweltschützer mit Unbehagen auf die Entwicklung. „Die Touristen verursachen viel Verkehr, der zunehmend Luft und Wasser verschmutzt“, sagte Salvatore La Magra, Vorsitzender der Umweltgruppe G.A.R.D.A.. Daher ist es für ihn vor allem wichtig, dass sich die Gemeinden vor Ort darum kümmern, See und Umgebung zu schützen. „In einigen europäischen Touristenorten wie etwa Barcelona herrscht bereits ein richtiger Hass gegen Besucher. Damit dies nicht auch in Sirmione geschieht, müssen die Verantwortlichen rechtzeitig handeln“, so La Magra.
Probleme gibt es viele: Sirmione hat zum Beispiel Fahrverbote erlassen. Autos dürfen schon länger nicht in den Ort. Aber ab 1. August dürften auch Fahrräder nicht in das historische Zentrum, so der Gemeinderat für Entwicklung und Wirtschaft, Alessandro Mattinzoli. Das Auto- und Fahrradverbot betrifft auch die Bürger Sirmiones, die außerhalb der Altstadt wohnten. Ausgenommen sind lediglich Bewohner des Zentrums sowie Hotelgäste der Altstadt und Menschen, die dort arbeiten.
„Die meisten Besucher gehen zu Fuß durchs Zentrum. Wenn da noch zahlreiche Autos und Fahrräder rumfahren, herrscht das totale Chaos“, sagte Mattinzoli. Bei Verstößen droht eine Geldstrafe von bis zu 80 Euro. An der Zahl der Touristen in Sirmione wird das Verbot nichts ändern. Auch an der Küste sind Touristen gern mit dem Rad unterwegs. Am Samstag eröffnete bei Limone ein neuer spektakulärer Fahrradweg, der am Berghang befestigt ist.
Was die Massen anzieht, ist für einige Einheimische zu einem Problem geworden, etwa in Sirmione: Die etwas abgeschottete Lage macht das Wohnen in der Altstadt immer unattraktiver. „Die Jugend von hier geht fort, denn es ist alles sehr limitiert. Es gibt keinen Parkplatz, und man darf mit dem Auto nur bis zu einer bestimmten Zeit ins Zentrum reinfahren. Es gibt auch keinen Supermarkt“, sagte Alba aus Sirmione. Alles sei sehr auf die Touristen ausgerichtet, so seien etwa die kleineren Läden mit italienischen Spezialitäten alle zu teuer.