Containerfirma P&R

Die größte Anlegerpleite aller Zeiten droht

von Redaktion

Von Thomas Magenheim-Hörmann

München – Mit gut einer Milliarde Euro vernichteter Anlegergelder hält die Göttinger Gruppe in Deutschland bislang einen traurigen Rekord. Die Pleite der P&R-Gruppe aus dem Münchner Nobelvorort Grünwald dürfte das locker toppen. 54 000 heimische Anleger, die in Schiffscontainer investiert haben, zittern um insgesamt 3,5 Milliarden Euro. Nur auf normales Anlegerrisiko geht das wohl nicht zurück. Es gibt handfeste Indizien für einen groß angelegten Betrug. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

-Welche Summe steht realistisch im Feuer?

Stefan Loipfinger hat errechnet, dass über 2,6 Milliarden Euro Anlegergelder mittels krimineller Energie vernichtet sein dürften. „Ein derartiger Betrugsverdacht ist in seiner Dimension einzigartig“, sagt der Finanzanalyst. Peter Mattil, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkrecht, der auch in den P&R-Gläubigerausschüssen sitzt, bestätigt die Befürchtung. Falls der noch laufende Betrieb der insolventen P&R-Gruppe kollabiert, sei sogar ein Totalverlust möglich, warnt der vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffe. 3,5 Milliarden Euro wären dann vernichtet.

-Wie hat das Geschäft von P&R funktioniert?

Über fünf deutsche Schwesterfirmen, die alle insolvent sind, haben 54 000 Anleger Schiffscontainer erworben, die P&R umgehend von den Anlegern zurückgemietet hat, um sie ihrerseits an Reeder zu vermieten. Am Ende einer Vertragslaufzeit von drei bis fünf Jahren hat P&R die gebrauchten Boxen zurückgekauft und sie weiterverwertet. Aus Miete und Rückkauf haben sich versprochene Renditen gespeist. Die insolventen deutschen P&R-Firmen selbst haben nie Container gekauft sondern nur Kunden geworben und Gelder durchgeleitet. Herz der P&R-Gruppe, die alle Container-Geschäfte im mäßig regulierten grauen Kapitalmarkt gemanagt hat, ist eine weiterhin zahlungsfähige P&R-Gesellschaft im Schweizer Zug. In der Schweiz wurden keine Anleger geworben.

-Warum ermittelt die Staatsanwaltschaft?

Eigentlich müssten 1,6 Millionen Container im Besitz der Schweizer P&R sein. Insolvenzverwalter Jaffe hat aber nur 618 000 Container in den Büchern gefunden. Etwa eine Million Container fehlt. Der Fehlbestand habe sich über mehrere Jahre aufgebaut und 2010 bereits 600 000 Stück betragen, betont Jaffe.

-Wie ist eine solche Differenz möglich?

Entweder hat P&R dreist Container verkauft, die Anlegern gehört haben, um Renditeversprechen zu erfüllen – das wäre Betrug. Oder aber wurden die Anlegergelder nicht dazu verwendet, neue Container zu kaufen, sondern um Ansprüche bestehender Anleger zu befriedigen. Das wäre ein illegales Schneeballsystem.

-Wer sind die Verantwortlichen?

Im Zentrum steht P&R-Gründer Heinz Roth. Der 75-jährige Österreicher hat die Gruppe vor gut 40 Jahren gegründet, ist Alleineigner und hat bis vor kurzem auch die Schweizer P&R geführt. Vorige Woche ist er unter unklaren Umständen zurückgetreten. Ein Wirtschaftsprüfer ist auf Betreiben von Jaffe in die Firmenleitung bestellt worden. Jaffe verweist auch auf die Verantwortung eines Ex-Geschäftsführers der insolventen deutschen P&R-Firmen, der 2016 gestorben ist. Danach hatte Roth auch in Deutschland die Geschäfte geführt. Der heutige deutsche Statthalter ist erst seit Mitte 2017 im Amt. Auf dieses Trio dürften sich alle Ermittlungen konzentrieren.

-Wer hat bei P&R investiert?

Das ist ein besonders trauriges Kapitel: Kunden sind nicht vermögende Zocker und Spekulanten, sondern viele ältere Menschen und Senioren, teils ganze Familien. Über die Hälfte der Anleger ist über 60 Jahre alt, ein Drittel älter als 70 Jahre. Mattil kennt über 90-Jährige, die ihr Altenheim mit lange zuverlässig fließenden P&R-Geldern finanziert haben.

-Haben Aufsichts- behörden versagt?

Geschäfte am grauen Kapitalmarkt sind in der EU in den vergangenen Jahren verschärft worden. Begonnen haben die mutmaßlichen Betrügereien bei P&R aber schon lange davor, schätzungsweise ab 2006. Zudem prüft die deutsche Finanzaufsicht Bafin beispielsweise Zulassungsprospekte für Firmen wie P&R nur auf Plausibilität und formelle Vollständigkeit. Insofern kann man ein Regulierungsdefizit bemängeln. Das Herz der P&R schlägt wohl nicht zufällig in der Schweiz, fern der Reichweite von EU-Gesetzen. Immer wieder fordern Verbraucherschützer in Deutschland Beschränkungen für den Vertrieb von Produkten des grauen Kapitalmarkts. Zügeln können Anleger sich bislang aber nur selbst.

-Wie geht es nun weiter?

Bis genaue Klarheit über Verantwortung, kriminelle Energie und Höhe des Anlegerschadens herrscht, werden viele Jahre vergehen. Zur Schadensbegrenzung kurzfristig entscheidend ist, dass der P&R-Geschäftsbetrieb mit der Vermietung der vorhandenen Containerflotte weitergeht und so Einnahmen erzielt werden, die den Anlegerschaden mindern. Deshalb warnen sowohl Jaffe als auch Mattil vor Versuchen, eigene Container beschlagnahmen und selbst verwerten zu wollen. Das wäre so gut wie unmöglich und es würde die Vermietung stoppen. Container sind über Häfen in der ganzen Welt verteilt und praktisch für eine Einzelperson kaum rückholbar. Außerdem wurde nur knapp jedem zehnten Anleger die entsprechenden Containernummern zugewiesen. Neun von zehn Betroffenen können damit gar nicht wissen, welche Container ihnen gehören. Die Anleger können jetzt nur hoffen, dass das Vermietgeschäft noch lange läuft. Loipfinger und Mattil fürchten aber eine Folgeinsolvenz der Schweizer P&R. Problem dabei: Das Schweizer Insolvenzrecht baue primär auf Verwertung und nicht auf Fortführung, warnen Insolvenzexperten.

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