Frankfurt – Mit einem Lächeln, aber auch mit großer Entschlossenheit hat sich Christian Sewing, seit Anfang April Chef der Deutschen Bank, am Donnerstag auf der Hauptversammlung zum ersten Mal gut 4000 Aktionären der Bank präsentiert. Der neue Vorstandschef ließ aber keinen Zweifel daran, dass er die Bank schnell und entschlossen wieder auf Kurs bringen will. Schon seit seinem Amtsantritt habe man sich in der Unternehmens- und Investmentbank von 600 Mitarbeitern getrennt, bis Ende 2019 sollen es deutlich mehr als 7000 sein. „Der Abbau ist unvermeidlich, wenn unsere Bank nachhaltig profitabel werden soll“, sagte Sewing.
Während die Aktionäre seine Ausführungen mit viel Applaus bedachten, musste sich Aufsichtsratschef Paul Achleitner Kritik gefallen lassen, die allerdings gemäßigter ausfiel als von vielen erwartet. Der Antrag, ihn als Versammlungsleiter abzusetzen, wurde mit mehr als 99 Prozent abgelehnt.
Gleichwohl machten Aktionäre vor allem Achleitner für die schwierige Lage der Bank verantwortlich. Die Kritik habe er erwartet, sagte der seit 2012 amtierende Aufsichtsratschef, schließlich könne es angesichts der Lage der Bank nicht anders sein. Die überraschende Abberufung von John Cryan als Vorstandschef und die Berufung von Sewing begründete Achleitner vor den Aktionären mit einem „Entscheidungs- und Umsetzungsdefizit“ in der Führung der Bank. Versprochene Maßnahmen seien nicht diszipliniert und konsequent angegangen worden. Trotzdem dankte er Cryan ausdrücklich. Er habe einen grundlegenden Wandel in der Bank angestoßen und wichtige Veränderungen umgesetzt. „Die Gleise sind gelegt, jetzt muss nur der Zug Geschwindigkeit aufnehmen.“
Aktionäre übten nur vereinzelt scharfe Kritik an Achleitner und forderten seinen Rückzug. Der Aufsichtsratschef habe den Wechsel von Cryan zu Sewing zwar schlecht kommuniziert, sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Für die Ursache der Krise der Bank sei er aber ebenso wenig verantwortlich wie Sewing. Für Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat warb Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment. „Herr Achleitner und Herr Sewing, Sie haben unsere volle Unterstützung.“ Der Aufsichtsratschef sei nicht alleine für die Lage der Bank verantwortlich, sagte auch Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Auch Hans-Christoph Hirt vom wichtigen britischen Pensionsfonds Hermes ging mit Achleitner gnädig um. Er hielt ihm zwar vor, die Fähigkeiten von Cryan falsch eingeschätzt und nicht für die erforderliche Effektivität und Stabilität in Vorstand und Aufsichtsrat gesorgt zu haben. Er stimmte gleichwohl für die Entlastung beider Gremien. „Der Aufsichtsrat sollte sich allerdings Gedanken über die Nachfolge von Herrn Achleitner machen.“
Drastische Kritik kam von Kleinaktionär Karl-Walter Freitag. „Achleitner ist der mit Abstand schlechteste Aufsichtsratschef in der Geschichte der Bank.“ Er sei auf keinem Gebiet erfolgreich, seit seinem Amtsantritt vor sechs Jahren sei der Aktienkurs um 70 Prozent eingebrochen. Andere Aktionäre hielten Achleitner vor, für das Desaster der Bank verantwortlich zu sein.
Große Hoffnungen setzen die Aktionäre auf den 48-jährigen Sewing. Er war, versicherte Achleitner, als Nachfolger erste Wahl. Sewing sei „durch und durch Deutsche Bank“ und kenne das Unternehmen so gut wie kaum ein anderer. Endlich stehe wieder ein Deutscher an der Spitze der Bank, der dort sein gesamtes Berufsleben verbracht habe und über ein umfangreiches Netzwerk auch in der deutschen Wirtschaft verfüge, sagte DSW-Vertreter Nieding. Zuletzt hatte mit Rolf Breuer bis 2002 ein Deutscher die Bank geleitet.
Zwar will der neue Chef an der globalen Aufstellung der Bank nichts ändern („Daran werden wir nicht rütteln“), aber er hält drastische Einschnitte für unvermeidlich. Das Zinsgeschäft in den USA, der Aktienhandel und das Finanzierungsgeschäft mit Hedgefonds werden deutlich verkleinert. Vor allem dadurch fallen bis Ende 2019 mehr als 7000 Stellen weg. Details nannte Sewing nicht. Die Kosten müssten drastisch reduziert werden. „Wir produzieren zu teuer.“ Ab 2021 rechnet der neue Vorstandschef mit deutlich sichtbaren Effekten des Spar- und Umbaukurses.