Berlin/Washington – Die USA und Europa sind nach der Ankündigung von Strafzöllen aus Washington im Handels-Clinch. Brüssel kündigte harte Gegenmaßnahmen an. Europapolitiker mahnen aber auch zur Besonnenheit. So rief EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger zu angemessenen, aber wirksamen Maßnahmen auf. „Es müssen Maßnahmen sein, die im amerikanischen Markt wirken, ohne jetzt eine übertriebene Reaktion und damit eine Eskalation auszulösen“, sagte er. Ein Handelskrieg müsse vermieden werden, sonst seien „die Gewinner die Asiaten“.
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, die Reaktion werde „rasch, stark und angemessen“ sein und im Einklang mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) stehen. Der Kern des Problems im Stahl- und Aluminiumsektor liege in weltweiter Überproduktion. Dies könne nur an der Quelle gelöst werden.
Trump selbst schätzt die Situation anders ein. „Ich denke nicht, dass wir einen Handelskrieg haben werden“, sagte er gestern in Washington. Bezüglich der nordamerikanischen Freihandelspartner Mexiko und Kanada knöpfte er die Strafzölle an Bedingungen. Mexiko müsse mehr gegen illegalen Drogenhandel an der US-Grenze tun. Kanada müsse in der Agrarpolitik Zugeständnisse machen. „Sie müssen unsere Bauern besser behandeln“, schrieb er auf Twitter.
Die Bundesregierung warnte erneut vor Strafzöllen. „Abschottung und Protektionismus sind ein Irrweg“, sagte Sprecher Steffen Seibert. Ein „Handelskrieg“ wäre nicht im deutschen, europäischen oder amerikanischen Interesse. Man stehe in engem Kontakt mit Frankreich und anderen europäischen Partnern.
Die EU-Kommission will am Mittwoch darüber entscheiden, wie sie auf die Zollpläne reagiert. Nach der Ankündigung von Strafzöllen auf Stahl und Aluminium legte Trump am Wochenende nach. Er drohte den Europäern nun auch mit Strafabgaben für Import-Autos, sollten diese ihrerseits mit höheren Zöllen auf US-Produkte antworten.
Das Risiko einer Eskalation sei deutlich gestiegen, sagte der Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Roberto Azevêdo, am Montag in Genf angesichts der Drohungen und empörten Reaktionen. „Wir müssen das Umfallen der ersten Dominosteine verhindern. Noch ist Zeit dafür.“
Befürchtet werden vor allem Nachteile für deutsche Autobauer, die zuletzt Marktanteile in den USA gewonnen hatten. Bei Volkswagen hieß es: „Wir beobachten die Situation sehr aufmerksam.“ Der Fraktionschef der konservativen EVP im Europaparlament, Manfred Weber, bezeichnete die Androhung in der „Passauer Neuen Presse“ als inakzeptabel. Gleichzeitig mahnte er jedoch zur Besonnenheit. „Es geht um Fakten, nicht um Emotionen.“
Die angedrohten US-Strafzölle auf europäische Autos verschreckten insbesondere Anleger von BMW. Der Aktienkurs des Münchner Herstellers fiel um 0,76 Prozent. Daimler-Papiere hingegen gaben nur leicht nach, während die Vorzugsaktien von VW sogar etwas zulegten. Europaweit hinkten Autowerte dem Gesamtmarkt hinterher.
Die Sorgen vor Strafzöllen auf europäische Autos seien zwar nicht neu, aber ein Risiko für die deutschen Hersteller, auch wenn die Nettoimporte der USA merklich zurückgegangen seien, sagte ein Händler. BMW etwa exportiere einen vergleichsweise hohen Anteil seiner Fahrzeuge in die USA, weil im dortigen Werk Spartanburg (South Carolina) nur Modelle der X-Geländewagenreihe hergestellt würden. BMW verweist allerdings darauf, der größte Fahrzeugexporteur aus den USA zu sein.
Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) warnte vor einem Handelskrieg. „Wir beobachten die aktuelle Entwicklung mit großer Sorge“, erklärte VDA-Präsident Bernhard Mattes. Strafzölle könnten keine Lösung sein, und in einem Handelskrieg gäbe es „nur Verlierer – auf allen Seiten“. Mattes verwies darauf, dass die deutschen Autobauer in den USA auch einen „erheblichen Beitrag“ zur automobilen Handelsbilanz des Landes leisteten: Ihr Anteil am US-Export von Autos sei mit rund einem Viertel dreimal so hoch wie der US-Marktanteil der deutschen Autobauer.
Der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, warnte in der „Bild“ vor unvorhersehbaren Folgen: „Es ist erschreckend, was Trump in der Handelspolitik treibt. Er scheint bei Wirtschaftsfragen noch ahnungsloser als gedacht.“ Kritik schlägt Trump auch aus den eigenen Reihen entgegen: „Wir sind sehr besorgt über die Auswirkungen eines Handelskrieges und bitten das Weiße Haus, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen“, ließ der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Paul Ryan, seine Sprecherin vor Journalisten mitteilen.
Trumps Handelsberater Peter Navarro deutete in einem TV-Interview an, dass es Ausnahmen in „bestimmten Fällen“ geben könne, „wo wir sie brauchen, damit Geschäfte laufen können“. Handelsminister Wilbur Ross hatte zuvor Hoffnungen auf Ausnahmen gedämpft. dpa/afp