interview mit Jörg Krämer

„Italien bleibt die Sollbruchstelle der Währungsunion“

von Redaktion

Über die Folgen des Wahlausgangs in Italien, die Chance auf Reformen im Land und in Europa sprachen wir mit dem Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer.

-In Italien haben Europa-Gegner von Rechts und Links ordentlich zugelegt, auch wenn es keine klaren Mehrheiten gibt. Was bedeutet das für den anstehenden Reformprozess in Europa?

Das Erstarken der politischen Ränder in Italien hat kaum Auswirkungen auf die Pläne zum Umbau der EU. Denn alle italienischen Parteien sind sich einig in der Hoffnung, dass eine neue deutsche Bundesregierung die europapolitischen Ideen des französischen Präsidenten Macron unterstützt, der den Euroraum letztlich zu einer Transferunion umbauen will. Ein Europäischer Währungsfonds, die schrittweise Einführung einer europäischen Einlagensicherung sowie Haushaltsgelder speziell für den Euroraum – all das wird von den italienischen Politikern förmlich herbeigesehnt – und vermutlich wird es Schritt für Schritt dazu kommen.

-Ein Schuldenschnitt für Italien und die anderen Krisenländer wurde im Wahlkampf von der 5-Sterne-Partei gefordert. Ist so etwas nach der Wahl realistischer geworden?

Das glaube ich nicht. Letztlich wollen die italienischen Politiker die Währungsunion nicht verlassen, sondern verändern. Und wegen Macron dürfte sie sich in die von Italien gewünschte Richtung bewegen.

-Wie kann Italien sonst aus der Wirtschaftskrise kommen? Alles was mit Sparen zu tun hat, scheint nun ja kaum noch durchsetzbar.

Italien hat Staatsschulden angehäuft, die mehr als das Doppelte dessen ausmachen, was der Maastricht-Vertrag höchstens erlaubt. An zu wenig Staatsausgaben kann es also nicht liegen, dass es der italienischen Wirtschaft heute schlecht geht. Stattdessen muss die öffentliche Verwaltung effizienter werden und den Unternehmen endlich bessere Rahmenbedingungen bieten. Es kann nicht sein, dass italienische Unternehmen vor Gericht mehr als 1000 Tage benötigen, um ein Urteil gegen einen säumigen Kunden zu erwirken. Einer Untersuchung der Weltbank zufolge sind die Rahmenbedingungen für die Unternehmen in Italien so schlecht wie in einigen mittelamerikanischen Ländern.

-Italien ist nur eins von mehreren Euroländern, wo Populisten an die Macht zu kommen drohen. Bedroht das die Zukunft Europas und des Euro?

Die Populisten sind doch mehr Symptom als Ursache des Problems. Wenn die traditionellen Parteien die Probleme Italiens nicht lösen, wenden sich die Menschen populistischen Alternativen zu. Allerdings werden die italienischen Populisten die Probleme des Landes auch nicht entschieden angehen, wenn man ihre zum Teil absurden Wahlkampfforderungen betrachtet. Italien bleibt die Sollbruchstelle der Währungsunion. Die EZB bleibt leider als Ausputzer eingespannt und verfolgt eine extrem lockere Geldpolitik, um Länder wie Italien zu stützen.

-Der Eurokurs reagiert kaum, auch der Dax scheint mehr von Donald Trumps Ankündigung von Strafzöllen beeindruckt. Warum ist das so?

Die Anleger wissen seit Langem, dass die EZB Italien stützt und im Krisenfall noch viel mehr Staatsanleihen kaufen könnte. Kein Anleger stellt sich gegen eine EZB mit ihren unendlich tiefen Taschen. Deshalb hat der Markt heute so wenig auf den Ausgang der Wahl in Italien reagiert.

Interview: Corinna Maier

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