Regierungsbildung

Ein bisschen Ordnung im Puzzle

von Redaktion

VON CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER, MARCO HADEm, Georg ISMAR

Berlin/München – Da hat Gerd Müller wochenlang um seinen Posten gekämpft, für sich geworben und ab und zu gestritten. Als dann der große Moment kommt, der erlösende Anruf, dass er das Ministeramt behalten wird – da schläft Müller. Ohne Handy. Leitung tot. Kein Scherz – als Horst Seehofer am späten Sonntagabend bei Müller anrufen will, wieder und wieder, ist der Bundesminister nicht erreichbar. Seehofers Leute schicken schließlich eine Polizeistreife bei seinem Privathaus vorbei. Sie klingeln den Minister raus und überbringen die Frohbotschaft.

Nach der endlosen Regierungsbildung ist das eine kuriose Pointe. Tags darauf kann auch Müller lachen, er sei halt wegen seiner Erkältung mal um 23 Uhr ins Bett gegangen. Außerdem habe ihm Seehofer schon im Laufe der Woche, am Nockherberg, den Wink gegeben, dass er sich nicht mehr allergrößte Sorgen machen müsse. Der 62-Jährige aus Schwaben bleibt Entwicklungsminister.

Leichter tut sich der Seehofer telefonisch bei Andreas Scheuer (43). Seinen loyalen Generalsekretär macht er zum Bundesverkehrsminister, ein für die CSU sehr prestigeträchtiges Ressort, viel Geld für den Straßenbau fließt in den Süden. Und sich selbst, dem designierten Innenminister, muss Seehofer eh nicht Bescheid sagen.

Weitere Teile des CSU-Personalpakets: Die Unterfränkin Dorothee Bär wird Digital-Staatsministerin im Kanzleramt. Bei den Staatssekretären holt Seehofer den Altöttinger Stephan Mayer zu sich ins Innenressort. Überraschender ist die zweite Berufung: Die CSU entsendet mit Thomas Silberhorn einen Staatssekretär ins CDU-geführte Verteidigungsressort. Hinzu kommen zwei Partei-Personalien: Neuer Generalsekretär wird der Münchner Markus Blume, der zu Seehofer und zu dessen Nachfolger Markus Söder ein vertrautes Verhältnis hat. Blume gilt als ruhiger, intellektueller Politiker. Der 43-Jährige schrieb 2016 das CSU-Grundsatzprogramm („Die Ordnung“). Als Vize unterstützt ihn die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete und Verkehrsexpertin Daniela Ludwig.

Die meisten Minister stehen damit fest. Noch mal im Überblick die CDU-Seite: Chef des Kanzleramts und damit Manager der Regierung soll Helge Braun (45) werden. Obwohl umstritten bei der Truppe und in der CDU soll Ursula von der Leyen (59) das Verteidigungsressort weiterhin führen. Wirtschaft macht Peter Altmaier (59), Agrar Julia Klöckner (45), Gesundheit Jens Spahn (37), Bildung und Forschung die bis dahin weitgehend unbekannte Abgeordneten Anja Karliczek (46).

Die SPD hat das Personalpuzzle noch vor sich. Aus Respekt vor der Basis und aus Angst vor jedem Anschein von Postengeschachere soll das Tableau erst bis zum Wochenende vorliegen. Klar ist: Olaf Scholz wird Finanzminister und Vizekanzler. Er hält die Karten noch eng an der Brust. Sigmar Gabriel dürfte als Außenminister abgelöst werden. Neben Scholz sind Heiko Maas und Katarina Barley gesetzt – aber unklar für welche Ressorts. Es bleiben also drei freie Stellen. Offen ist, ob die SPD auch ein Signal für den Osten parat hält. Für die Ressorts Arbeit oder Familie könnte Franziska Giffey infrage kommen, die resolute Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln.

Der Terminplan steht bereits. „Es wird wichtig sein, dass wir schnell als Regierung auch mit dem Arbeiten beginnen“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Am 14. März wird die Kanzlerwahl angesetzt, dann werden die Minister vom Bundespräsidenten ernannt, es folgt sofort die erste Kabinettssitzung.

Aus SPD-Sicht birgt der Termin eine gewisse Ironie der Geschichte: Es ist der 15. Jahrestag der berühmten Agenda-2010-Rede von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Merkel lobt inzwischen die Reformen beharrlich – gelten sie doch als eine Basis, warum in Deutschland heute nicht mehr 5, sondern nur noch 2,5 Millionen Menschen arbeitslos sind und es der Wirtschaft gut geht. Viele in der SPD hadern aber auch mit der Agenda und sehen sie als Mitursache für millionenfachen Wählerschwund.

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