München – Am Nachmittag gibt Dorothee Bär noch ein Interview, das wohl nie gesendet wird. Vor laufender Kamera faltet sie den Fragesteller zusammen. Was es mit ihr „als Frau“ mache, nun ein Ministeramt zu haben, wollte er wissen. „Was macht so eine Frage mit Ihnen als Mann“, faucht sie bittersüß zurück. Auf weitere Nachfragen zum Geschlecht erklärt sie, dass man sich im Jahr 2018 befinde. „Da sollten sich alle langsam mal dran gewöhnen.“
Die Frau designierte Staatsministerin, 39, hat erkennbar keine Lust auf eine Rolle als CSU-Quotenfrau. Verwegen sind Fragen danach eigentlich nicht. Noch immer ist die CSU eine männerdominierte Partei, Kabinettsposten gehen meist an ältere Herren, ab und zu an junge. Dass wenigstens Bär nun ein hohes Amt in der Bundesregierung bekommt, hat mit Quote oder Proporz aber ausnahmsweise gar nichts zu tun. Sie ist in der CSU ein anderer Exot: zuhause in der digitalen Welt, in sozialen Netzwerken, engagiert in Fachfragen von Netzpolitik oder E-Games. Auf Twitter folgen ihr knapp 70 000 Menschen; ins Analoge übersetzt: Das sind 15 Aschermittwochshallen. Nur eine Zielgruppe, die da im Leben nie hingehen würde. Keiner in der CSU hat so eine Reichweite.
Bär wird nun Staatsministerin für Digitales. Das ist ein Rang unter den Bundesministern, aber im Kanzleramt und mit Sitz am Kabinettstisch. Ihr Job: Die Regierung antreiben im Themenfeld Digitales, „wir müssen eine Schippe drauflegen“. Zu tun gäbe es reichlich: Der Netzausbau ist lückenhaft, die Fördertöpfe sind unübersichtlich, das Recht hinkt der schnellen Netzwelt hinterher. „Sie wird mehr entwickeln, als uns manchmal lieb ist“, sagt Parteichef Horst Seehofer voraus.
Wird sie das wirklich? Bär hat zwar eine zügige Polit-Karriere hingelegt, sich ein Netzwerk aus Vertrauten ihrer Generation in der Landesgruppe geschaffen, war bisher aber immer Nummer zwei: Vize-Generalsekretärin unter Alexander Dobrindt, der ihr in klassischen Medien wenig Freiraum ließ. „Die Statistin“, titelte die „SZ“ 2010 kühl. Parteifreunde klagten, man sehe Bär meist nur „auf ihrem Handy rumdrücken“. Sie heimste Spott ein für banale Tweets, ab und zu einen Missgriff in sozialen Netzwerken. 2013 wurde die Unterfränkin ins Verkehrsministerium befördert, aber eben nur Staatssekretärin, wieder hinter Dobrindt. Ende 2017 kam dann ein Posten in der Parteispitze hinzu – als CSU-Vize.
Wer genau hinschaut, sieht schon eine Entwicklung bei Bär. Sie kommuniziert ernsthafter, inszeniert sich bewusster als früher. Die Talkshows sind neugierig geworden auf die dreifache Mutter (verheiratet mit dem Hofer Landrat), sie kann sich leisten, dort auch mal patzig zu antworten. Ein glattes Nein fing sich, so erzählt man, unlängst sogar Markus Söder ein: Er wollte Bär zu einem Wechsel in die Münchner Landespolitik bewegen. Sie will in Berlin bleiben.
Vielleicht wäre der Sprung dort in die allererste Reihe, so als richtige Bundesministerin, trotzdem noch zu groß gewesen. Fürs Entwicklungsressort wurde Bär genannt, gut vorstellen könnte man sich die stets elegant und selbstbewusst auftretende Abgeordnete in den Elendsvierteln der Welt aber nicht. Sie würde fremdeln im Fachgebiet.
Im Digitalen nimmt man sie ernster. Die Schwesterpartei scheint sich sogar etwas zu fürchten: Minuten nach der Bekanntgabe twitterte die CDU, das Thema Digitalisierung liege beim Kanzleramtschef Helge Braun, Bär stehe „ihm zur Seite“. Das war so unfreundlich gemeint, wie es klingt. Bär hat es zur Kenntnis genommen. „Das spornt mich an“, sagt sie. „Ich gehe gerne in den Nahkampf.“ cd