Digitalisierung im Gesundheitswesen

Wie Start-ups Patientendaten nutzen

von Redaktion

von manuela dollinger

München – Rückenschmerzen sind die Volkskrankheit Nummer eins in Deutschland. Rund 80 Prozent der Deutschen leiden irgendwann in ihrem Leben darunter. Auch Konstantin Mehl, einer der Gründer des digitalen Pharmaunternehmens Kaia Health. Er konsultierte Ärzte, probierte verschiedene Therapien aus, aber so richtig geholfen hat nichts davon. Der Schmerz blieb – und die Erkenntnis reifte: So wie mir geht es vielen. Warum kein Geschäft daraus machen? Es entstand die Idee zu einer Schmerztherapie in Form einer App, auf die jeder Betroffene per Smartphone zugreifen kann.

Gemeinsam mit dem Schmerzzentrum der TU München haben Mehl und sein Geschäftspartner Thomas Thurner – zuständig für das Technische – den sogenannten Goldstandard der Rückenschmerztherapie digitalisiert. Der Goldstandard basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz im Kampf gegen den Schmerz: Entspannungs- und Bewegungsübungen werden individualisiert und mit der Vermittlung von Wissen kombiniert. Eine Alternative zur Operation, die viele Betroffene fürchten. Der Haken: Der Goldstandard wird selten von Krankenkassen übernommen und ist mit bis zu 15 000 Euro nicht gerade günstig. Hier kommt nun die App der Münchner ins Spiel, die Patienten vergleichsweise günstig helfen soll. Ein Jahr nach der Gründung von Kaia Health bestehen erste Kooperationen mit Krankenkassen, aber auch als Privatkunde kann man die App abonnieren. 2018 wollen die Münchner profitabel sein.

„Hilfreich bei der Gründung war, dass wir bereits Erfahrung in der Start-up-Welt hatten“, erzählt Thurner. Gemeinsam mit Mehl hat er bereits das Start-up Fodora gegründet und mittlerweile verkauft. Nun setzen sie mit Kaia Health auf den Gesundheitsmarkt, in dem die Digitalisierung gerade viel in Bewegung setzt. „Der Gesundheitsbereich ist spannend, es ist zwar schwer, reinzukommen, aber das Potenzial ist riesig“, sagt Thurner.

Die Zahl an digitalen Gesundheitsdaten wächst rasant – in Laboren, im Rahmen von Therapien und Studien fallen Unmengen an Daten an. Dazu kommen Informationen, die Verbraucher selbst sammeln, zum Beispiel im Fitnessstudio, beim Joggen oder zu Hause beim Blutdruckmessen. Diese zu nutzen – und einen Mehrwert zu schaffen, um neuartige Produkte auf den Markt zu bringen, ist Chance und Herausforderung zugleich. „Eine gute Therapie beginnt immer mit einer guten Diagnose“, sagt Tim Jaeger, der für die Digitalisierung beim Pharmaunternehmen Roche zuständig ist. „Anders als früher werden dabei digitale Daten als Unterstützung genutzt.“ Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Es gibt viele Ideen, auch solche, aus denen sich ein Geschäft machen lässt. So haben etwa kürzlich mehr als 130 Start-ups ihre Ideen bei Roche eingereicht. Das Pharmaunternehmen, das einen großen Standort im oberbayerischen Penzberg unterhält, hatte gemeinsam mit UnternehmerTUM einen Wettbewerb für Start-ups aus dem Gesundheitswesen ausgeschrieben. Zu gewinnen gab es neben dem Preisgeld ein Coaching, das bei Gründungen im Gesundheitsbereich extrem hilfreich ist.

Start-ups im Gesundheitswesen haben es schwer, in Deutschland Fuß zu fassen. Das weiß auch Jared Sebhatu, Programmdirektor von German Accelerators Life Sciences. Sein Job ist es, jungen Firmen der Branche unter die Arme zu greifen. „Die Gründer müssen sich mit der Regulatorik, der Finanzierung und dem Datenschutz, einem hochsensiblen Thema in Deutschland, auseinandersetzen“, sagt er. Dazu komme, dass die Deutschen – anders als etwa Amerikaner – es nicht gewohnt seien, für Gesundheitsleistungen zu zahlen. „Kapital bekommt nur, wer ein Geschäftsmodell hat, das auch wirklich funktioniert.“

Zumindest aussichtsreich ist das Geschäftsmodell der Gewinner des Roche-Wettbewerbs: Auf Platz eins schaffte es das belgische Start-up FibriCheck. Die Gründer haben die erste Lösung für ein digitales Monitoring bei Herzrhythmusstörungen entwickelt, die ganz ohne medizinische Hardware auskommt. Für die Messung legt der Patient seinen Finger für 60 Sekunden auf die Kamera seines Smartphones. Die gemessenen Pulswellen werden über die App ausgewertet und automatisch an den Arzt übertragen. Das Potenzial ist – ähnlich wie beim Geschäftsmodell von Kaia Health – groß: Allein in Deutschland leiden etwa 1,8 Millionen Menschen an Herzrhythmusstörungen.

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