Rosenheim – Das Herbstfest zieht immer wieder auch Prominenz an, zuletzt war Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) zu Besuch auf der Rosenheimer Wiesn. Keineswegs das erste Mal, wie er auf der Bühne der Musikkapelle schilderte. Für die OVB-Heimatzeitungen nahm er sich Zeit für ein Gespräch über das Streitthema Brenner-Nordzulauf, über das regionale „Sorgenkind“ Kathrein und über die bayerische Wirtschaft, die derzeit etwas schwächelt und nur geringes Wachstum erwarten lässt.
Das Thema Brenner-Nordzulauf bewegt die Menschen hier in der Region sehr intensiv. Die Gegner prangern vor allem die Zerstörung der Landschaft und den massiven Flächenverbrauch an. Wie sehen Sie das als Chef der Freien Wähler, die sich die Bewahrung der Heimat auf die Fahnen schreiben?
Es gibt Prognosen zum Güterschienenverkehr, die eindeutig dafür sprechen, dass wir eine Neubautrasse benötigen. Darauf müssen wir uns wohl einstellen. Wichtig ist dabei, dass wir auf eine möglichst lange Untertunnelung der Trasse setzen. An der Stelle darf dann auch das Geld keine Rolle spielen. Da ist die Landschaft zu schützen und ist der Mensch zu schützen. Wenn eine Neubautrasse geplant wird, dann weitestgehend unter der Erde.
Den Vorschlag der Trassengegner, die Bestandsstrecke zu ertüchtigen, halten Sie also nicht für zukunftsfähig?
Hierzu gibt es widersprüchliche Aussagen der Experten. Ich denke jedoch, wir müssen uns auf das Szenario vorbereiten, dass der Güterverkehr auf der Schiene in den kommenden Jahrzehnten deutlich ansteigen wird und die bestehende Trasse dafür nicht ausreicht.
Ein anderes wichtiges Thema in der Region ist die bevorstehende Übernahme des Kerngeschäfts von Kathrein durch den schwedischen Ericsson-Konzern. Was sagen Sie zum Ende der 100-jährigen Firmenära, gerade mit Blick darauf, dass Bayern Vorreiter bei der 5G-Technologie werden will?
Das ist natürlich äußerst bedauerlich. Ich habe den früheren Chef Prof. Dr. Anton Kathrein persönlich gekannt, er war ein innovativer und sehr umtriebiger Unternehmer. Leider ist es offenbar aus betrieblichen Gründen nicht möglich, dass das Unternehmen eigenständig weitergeführt wird. Sehr schade, aber leider nicht zu ändern. Wir müssen vorwärts schauen.
Bei der Vorstellung des Industrieberichts haben Sie gesagt: „Wenn das Automobil wegbricht, können wir hier das Licht ausschalten“. Ist diese enorme Abhängigkeit von der Automobilindustrie in Bayern nicht ein großer Unsicherheitsfaktor für die Zukunft?
Da ist schon etwas dran. Bisher war es ein großer Vorteil des Standorts Bayern, dass wir mit Autoexporten viel Geld verdient haben. Aber natürlich ist es immer ein Risiko, wenn man zu sehr auf einem Standbein steht. Man denke nur an die Rhein-Ruhr-Gegend, wo man vor allem auf die Stahl- und Kohleindustrie gesetzt hat. Diese Industriezweige sind dann von anderen überholt worden, was zu großen Problemen geführt hat und manche Gegenden in ein Armutsloch gestürzt hat. Diese Gefahr sehe ich für Bayern nicht. Wir sind nicht so einseitig auf die Automobilindustrie aufgestellt und Auto wird auch in Zukunft gefahren werden. Aber wir müssen heute das Auto von morgen entwickeln und produzieren.
Sie haben Wasserstoff als Schlüssel zur Energiewende bezeichnet, der sich ja auch für Fahrzeugantrieb eignet. Hier ganz in der Nähe entsteht bei Kufstein eines der größten Wasserstoffzentren Europas. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die deutsche – und allem die bayerische – Automobilindustrie ihre Forschung dazu intensiviert? Das Thema Elektroantrieb haben die heimischen Unternehmen Ihrer Meinung nach nicht intensiv genug vorangetrieben.
Meine Zuversicht hält sich derzeit ehrlich gesagt noch in Grenzen. Und genau deshalb will ich jetzt in diesem Bereich anschieben und politische Unterstützung leisten, zum Beispiel durch entsprechende Forschungsmittel. Ich sehe vor allem den Wasserstoffantrieb als zukunftsweisend, auf diesen müssen wir meiner Meinung im Automobilbau setzen. Ein Ziel ist daher, dass wir in Bayern in den kommenden Jahren rund 100 Wasserstoff-Tankstellen haben, pro Landkreis mindestens eine. Der Bürger soll auch tanken können, wenn er sich ein Auto mit Wasserstoffantrieb kauft. Wir tun hier als Staatsregierung, was wir können. Ich erwarte daher auch von der Autoindustrie sehr ernsthaft, dass sie diesen Zug nicht verschläft und mitzieht.
Interview: Anton Maier