Stephanskirchen – Aus der Teamarbeit kennt man das: der Einzelne allein bewirkt nicht besonders viel, die Gemeinschaft setzt Hebel in Bewegung. So ist das auch mit Mikroben, die allein für sich betrachtet, relativ machtlos sind. In Gesellschaft vieler verschiedener anderer Mikroben aber bilden sie das Mikrobiom – das Wissenschaftler mittlerweile als eigenständiges Organ bezeichnen. Es kommt im menschlichen Körper vor, wie im Darm oder auf der Haut, aber auch in der Natur, etwa im Boden. Mikroben kommunizieren untereinander auf eine Weise, die mittlerweile im Fokus von Forschern steht.
Ursprung der Forschung in Japan
Bei der Christoph Fischer GmbH in Stephanskirchen befasst man sich seit Mitte der 1990er-Jahre mit Mikroorganismen. Ging es Firmengründer Christoph Fischer ursprünglich um energetische Lösungen zur Gülleaufbereitung für interessierte Landwirte, stieß der umtriebige Unternehmer bald auf Effektive Mikroorganismen, kurz: EM. Das war der Beginn der Marke EM Chiemgau, die heute unter der Christoph Fischer GmbH firmiert.
EM, das ist eine Mischung aus 80 verschiedenen Bakterienstämmen, die zusammen eine Gemeinschaft bilden, darunter Milchsäurebakterien, Hefen und ein Bakterium aus der Photosynthese. Der Ursprung von EM ist auf der japanischen Insel Okinawa zu finden. Entwickelt hat die Mikrobenmischung Teruo Higa, ein japanischer Professor für Gartenbau, der den günstigen Einfluss der „guten“ Bakterien auf Boden und Pflanzen nachwies.
Die Mikroorganismen werden in Nährlösung gezüchtet und durchlaufen, verkürzt dargestellt, einen kaskadischen Fermentationsprozess. In den Produktionsräumen in Stephanskirchen geschieht dies in großen Edelstahltanks. „Fermentation ist das Gegenteil von Fäulnis“, beschreibt Unternehmer Fischer. Das erklärt, dass sich das Einsatzgebiet seiner Effektiven Mikroorganismen heute von Klärschlammreduktion über Boden- und Gülleaufbereitung in der Landwirtschaft bis hin zur Reinigung im Haus, Gartenpflege und Wellness für Körper und Geist zieht. Während Fäulnisprozesse einen raschen Abbau von Lebensenergie und damit die Freisetzung von Toxinen und freien Radikalen fördern, so Fischer, wirke Fermentation diesem Prozess entgegen. „Es entstehen vielmehr hochkomplexe, gesundheitsfördernde Stoffe wie Antioxidantien, Aminosäuren, Vitamine und Enzyme.“ Die Mikroorganismen selbst trieben die Fermentation voran.
Die Christoph Fischer GmbH ist unter dem Erfolg der mittlerweile 30 selbst hergestellten EM-Produkte in den vergangenen Jahren gewachsen. „Vor allem, als wir Reinigungsmittel auf den Markt gebracht haben, wurden wir auch der breiten Masse der Verbraucher bekannt“, erinnert sich Fischer. Beim Putzen mit den Effektiven Mikroorganismen könne auf Chemie verzichtet werden. Die Mikroben fressen gewissermaßen Schmutz und Staub.
2015 hat das Familienunternehmen – Fischers Ehefrau Annerose ist ebenso mit an Bord; die Kinder Vincenz und Linda verantworten als Nachfolger bereits eigene Bereiche – auf dem Stephanskirchener Gelände 1,5 Millionen Euro in den Ausbau des Firmengebäudes investiert: „Wir hatten damals unsere Produktion für die nächsten zehn Jahre ausgelegt, stoßen aber jetzt schon an unsere Kapazitätsgrenze“, erzählt er.
Vor Ort gibt es einen eigenen EM-Laden, auch die von Fischer gegründete Chiemgau Akademie hat hier ihren Sitz. Sie ist seine Plattform, um Unternehmern, privaten Interessenten, Gartenbauern und Landwirten in Vorträgen, Workshops und Seminaren Anwendung und Wirkungsweise der Mikroorganismen näherzubringen.
Gesunde und nachhaltige Landwirtschaft bleibt Fischers großes Anliegen (siehe Infokasten). Vor gut 15 Jahren hat er das „Rosenheimer Projekt“ ins Leben gerufen, das inzwischen rund 1000 Landwirte umsetzen. Das Projekt zeigt in der Praxis, wie mit verschieden aufbereiteten Effektiven Mikroorganismen etwa Humus aufgebaut und Gülle zu einer nährstoffreichen, geruchsneutralen Ressource aufgewertet werden kann. Grundwasser, Pflanzen und Tiere können, so Fischers Erfahrungswerte, mit den Mikroorganismen geschützt und gesund erhalten werden.
Fischers Unternehmen hat knapp 30 Mitarbeiter und 50 Lieferanten. Rund 3,6 Millionen Euro Umsatz verzeichnete man zuletzt. Erwähnenwert ist all dies deshalb, weil sich die Familie 2017 dazu entschied, mit EM Chiemgau Teil der europaweiten Bewegung Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) zu werden.
Ab jetzt Teil einer
EU-weiten Bewegung
„Das ist eine Form der Marktwirtschaft, in der nicht Umsatz und Gewinn im Fokus stehen, sondern, dass es allen Beteiligten gut geht. Der Grundgedanke ist eine nachhaltige Wirtschaftsweise und Produktion, auch mit der Fragestellung, ob die Produkte eine nützliche gesellschaftliche Relevanz erfüllen.“
Um GWÖ-zertifiziert zu werden, musste der Betrieb strenge Prüfkriterien erfüllen: Zum Beispiel werden Solidarität und Gerechtigkeit in der Zuliefererkette reflektiert sowie ihre ökologische Nachhaltigkeit. Hinterfragt wird etwa, woher Kaffee, Tee und Milch für Angestellte und fürs Veranstaltungscatering kommen und obethisch und sozial mit Geldmitteln umgegangen wird. EM Chiemgau akzeptiert zum Beispiel das Regiogeld „Chiemgauer“, unterstützt ökologische und soziale Projekte. GWÖ-relevant sind auch Aspekte wie Umgang mit Mitarbeitern, deren ökologisches Verhalten und Mitbestimmungsrechte. „Wir haben uns durch den GWÖ-Prozess selbst neu kennengelernt“, sagt Fischer, und dass die Familie noch viele Ideen hat, wie das Unternehmen noch nachhaltiger und engagierter werden kann.