Mühldorf/Altötting – Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es individuelle Lösungen. Zu diesem Schluss kam der IHK-Regionalausschuss Altötting-Mühldorf in seiner jüngsten Sitzung in Altötting. Laut Zahlen der IHK fehlen in der gesamten Region Südostoberbayern derzeit etwa 12000 qualifizierte Mitarbeiter. Aufgrund dieses Engpasses können rund 4,1 Prozent aller in der Region angebotenen Arbeitsplätze für Fachkräfte nicht besetzt werden.
„Die Betriebe suchen vor allem beruflich qualifizierte Mitarbeiter“, erklärte IHK-Experte Sebastian John. Besonderer Mangel herrsche unter anderem bei den Industrie- und Bürokaufleuten, bei Fertigungsmechanikern, Anlagenführern, Maschinenbaumeistern, Zerspanungsmechanikern und Elektrotechnikern. Perspektivisch rechnet John damit, dass die Lücke auf dem Arbeitsmarkt größer wird. „Die fortschreitende Digitalisierung wird vermutlich wie bereits in der Vergangenheit für neue Stellen sorgen“, so John.
Personalsuche über Kleinanzeige bei ebay
„Die Herausforderung ist also, wie wir unsere Mitarbeiter langfristig binden und gleichzeitig neues Personal gewinnen können“, brachte es Ingrid Obermeier-Osl, IHK-Vizepräsidentin und Vorsitzende des Ausschusses, auf den Punkt. In Bezug auf die Mitarbeiterbindung empfiehlt John unter anderem, regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, um Verbesserungspotenziale für den eigenen Betrieb und das Arbeitsklima zu erarbeiten.
Die Hälfte der anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmer gab an, aktuell offene Stellen nicht besetzen zu können. Wichtigster Kanal, um neue Mitarbeiter zu gewinnen, sei die Vermittlung über persönliche Kontakte. „Immer mehr Betriebe bezahlen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn diese erfolgreich neue Kollegen werben. Selbst Ebay-Kleinanzeigen werden als Jobbörse genutzt“, berichtet Obermeier-Osl.
Helfen kann auch die Agentur für Arbeit. „Die aktuelle Arbeitsmarktsituation erfordert, dass alle Potenziale gehoben werden“, erklärte Susanne Stöberl von der Altöttinger Agentur-Geschäftsstelle. Unternehmen profitierten seit diesem Jahr von neuen Fördermöglich-keiten: „Bei Anpassungsqualifizierungen können sich die Betriebe beispielsweise Weiterbildungsmaßnahmen für die Mitarbeiter fördern lassen.“ Abhängig von der Betriebsgröße übernimmt die Agentur für Arbeit bis zu 100 Prozent der Lehrgangskosten und bis zu 75 Prozent Arbeitsentgelt für die ausgefallene Arbeitszeit. Ziel der Maßnahme ist es, Mitarbeiter mit neuen Fertigkeiten und Kompetenzen auf den digitalen Wandel vorzubereiten.
Damit Geringqualifizierte eine Chance haben, selbst Fachkraft zu werden, würden abschlussorientierte Maßnahmen gefördert, erläutert Stöberl. Die Weiterbildungskosten übernehme vollständig die Agentur für Arbeit, Arbeitsentgeltzuschüsse ebenfalls bis zu 100 Prozent. „Eine solche Qualifizierung ist ein langer Weg, aber er lohnt sich“, bekräftigt Stöberl.
Welche Weiterbildungsmöglichkeiten Mitarbeiter nach ihrer Ausbildung haben, zeigte Christian Tafelmeier von der IHK-Akademie für Mühldorf und Altötting auf. Viele Optionen seien oft nicht bekannt. Etwa, mit abgeschlossener Ausbildung und mindestens drei Jahren Berufserfahrung fachbezogen zu studieren. Beliebt seien zudem Zertifikatskurse im kaufmännischen oder technischen Bereich.
Noch bis vor wenigen Jahren hätten Unternehmen zur Mitarbeiterbindung die Kosten für Weiterbildung teils oder voll übernommen. Förderungen wie der Meisterbonus oder das Aufstiegs-Bafög haben diese Praxis geändert, erklärt Tafelmeier. „Unternehmen müssen deshalb neue Anreize schaffen, beispielsweise Prämien für das Bestehen von Prüfungen.“ Eine weitere Option sei es, die Mitarbeiter für die Weiterbildung freizustellen.
Wohnraum für Fachkräfte fehlt
Eine wachsende Rolle spielen angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes auch Menschen mit Fluchthintergrund. Größte Hürde sei aber, bezahlbaren Wohnraum für die Personen zu finden. Mehrere Unternehmen aus dem IHK-Ausschuss berichteten, selbst Wohnungen für Geflüchtete angemietet zu haben. „Der Mangel an Wohnraum wird immer mehr zum Standortnachteil. Wie können Fachkräfte aus Deutschland oder der Welt angeworben werden, wenn wir sie nicht unterbringen können? Nicht alle Unternehmen können es sich leisten, Wohnungen zu mieten oder zu kaufen. Hier braucht es politische Lösungen“, ist Obermeier-Osl überzeugt.