34,7 Jahre für eine Immobilie

von Redaktion

Die Region ist für Immobilienkäufer wie für Mieter ein teures Pflaster. Jetzt zeigt eine Auswertung der Kauf- und Miet-Angebote aller deutschen Mittelstädte: Rosenheim steht bundesweit auf Platz zwei, geht es um die Preisentwicklung am Markt.

Rosenheim –Rosenheim ist in Sachen Immobilien laut dem Portal immowelt.de nach Konstanz die zweitteuerste Mittelstadt Deutschlands. Verglichen wurden die Miet- und Kaufpreise der 111 deutschen Städte mit 50000 bis 100000 Einwohnern. Die höchsten Kaufpreise mit durchschnittlich 4550 Euro je Quadratmeter gelten derzeit in Konstanz, gefolgt von Rosenheim mit 4290 Euro, an dritter Stelle kommt Landshut mit 3950 Euro. Der mittlere Rosenheimer Mietpreis von 10,30 Euro je Quadratmeter landet bundesweit auf Platz sieben und ist damit gleichauf mit Marburg. Am günstigsten ist Kaufen und Mieten im ostdeutschen Plauen. Laut immowelt.de wurden bei den Berechnungen sowohl Altbestände als auch Neubauten mit berücksichtigt.

Meiste Nachfrage

aus Region selbst

Auch der Mietmultiplikator wurde errechnet: Er sagt aus, wie viele Jahresmieten man für eine Immoblie investieren muss. Je höher der Multiplikator, desto teurer das Objekt. „Die Kaufpreise sind den Mieten davon geeilt“, so Peter Groscurth von immowelt.de, und verweist darauf, dass in Rosenheim der Mietmultiplikator mit 34,7 noch höher ist als am derzeit teuersten Standort Konstanz (siehe Infokasten).

Hohe Wirtschaftskraft, gute Infrastruktur, die Nähe zum Süden und die attraktiven Freizeitmöglichkeiten sind einige der Gründe für die rasante Preissteigerung für Rosenheims Immobilien. Hinzu komme laut Johann Hainz, Immobilienberater und Vorsitzender des Immobilienverbunds Rosenheim, die Hochschule als weiterer Pluspunkt. Er räumt mit dem „Märchen vom anonymen Investor oder dem Münchener ‚Großkopferten‘“ auf, die die Preise in der Region angeblich verderben. „Das entspricht aus Sicht des Immobilienverbundes nicht der Realität. Die Mehrzahl der Käufer, ob für Eigenheim oder als Kapitalanlage, möchte in der Region bleiben oder investieren, in der er zuhause ist.“ Generell werde der Anteil der Münchener Käufer am hiesigen Markt „maßlos überschätzt.“ Die Angebotsknappheit sei weitgehend auf den regionalen Bedarf zurückzuführen. Hier spiele auch der Trend eine große Rolle, sich fürs Alter eine Wohnung in einer Lage mit einer gut ausgeprägten Infrastruktur zu suchen.

Die Frage, ob hohe Kaufpreise automatisch hohe Mietpreise bedeuten, verneint Hainz. Einfluss darauf hätte vielmehr ein hoher Anteil an Kleinwohnungen, die im Vergleich höhere Quadratmeterpreise aufwiesen und eine spezielle Mieterstruktur, etwa viele Studenten und ähnliche Kurzzeitmieter.

Der Rosenheimer Immobilienexperte warnt jedoch: „In Rosenheim geht die Schere zwischen Kaufpreisen und Mieten immer weiter auseinander. Dadurch sinken die Renditen.“ Dies könne dazu führen, dass für eine vermietete Wohnung keine Rendite mehr zur erzielen ist und sich ein Kauf zumindest ohne entsprechende Wertsteigerungen nur noch über eine sehr lange Zeit amortisiere. Für viele Käufer sei ein Immobilienkauf im Moment noch eine attraktive Alternative zur wenig ertragreichen Anlage am Kapitalmarkt. „Zuletzt waren außerdem Wertsteigerungen von zehn, 20 Prozent drin.“ Das halte zwar den Markt im Moment noch in Schwung. „Wenn sich die Preise aber wieder beruhigen, die Zinsen steigen und die Rendite durch Vermietung sinkt, sinkt auch die Kaufbereitschaft.“

Immobilienexperten rechneten mittelfristig mit dieser Entwicklung, „zumal die EZB den Leitzins Anfang 2020 offenbar wieder leicht anheben will. Zumindest bis Ende 2019 sollen die Zinsen auf dem jetzigen Niveau bleiben.“

Die Branche hoffe außerdem, dass sich auch am Niveau der enorm gestiegenen Bau- und Sanierungskosten in Zukunft etwas ändert: Denn trotz des Baubooms fehle es an Wohnraum, auch in Rosenheim. Genaue Zahlen dazu hat Hainz nicht, er vermutet jedoch einen hohen Wohnungsleerstand in Rosenheim mit vielen Fällen, in denen eine Sanierung frischen Wohnraum schaffen könnte. „Allerdings machen die vielen Bauvorschriften wie Brandschutz und Energiekriterien momentan das Sanieren eines Altbaus fast teurer als neu bauen. Der Staat ist einer der größten Preistreiber“, kritisiert Hainz. „Die Baukosten steigen ständig, vom Bodenaushub bis zur Fertigstellung am Bau. Preiswertes Bauen – und damit bezahlbares Wohnen und Kaufen – wird so fast schon unmöglich gemacht.“

Laut immowelt.de wurden für den aktuellen Vergleich der Preise für deutsche Mittelstädte Objekte zu „völlig überzogenen Preisen“ nicht mit eingerechnet, wie sie in extrem begehrten Lagen wie Südostoberbayern vorkommen könnten.

Johann Hainz weist darauf hin, dass die Statistiken, die Immobilienportale und -dienste herausgeben, „nicht zwangsläufig eine verlässliche Quelle“ für die realen Preise seien. „Sie unterscheiden in der Regel nicht zwischen dem Angebotspreis und dem tatsächlich bei Kauf gezahltem Preis. Die Differenz kann erheblich sein.“

Wann Experten zur Vorsicht raten

Experten raten zur Vorsicht, wenn Immobilieninteressenten mit einem Mietmultiplikator von über 25 konfrontiert werden. Der Kauf von Eigentumswohnungen, deren Preise das 25-Fache der potenziellen Jahresmieteinnahmen erreichen, ist einer Studie des Marktforschungsinstituts Empirica zufolge sehr riskant. Diese warnt vor einer Immobilienblase in einigen deutschen Großstädten wie München, wo der Multiplikator derzeit bei rund 34 Jahren liegt. Je nach Region wird bereits ein Faktor über 20 als kritisch eingestuft.

Rechenbeispiel für Rosenheim (Mietpreismultiplikator 34,7): Erwirbt ein Anleger eine Immobilie für 500000 Euro und vermietet diese zum Preis von 1200 Euro kalt pro Monat, erwirtschaftet er damit jährlich Einnahmen von 14400 Euro. Bis sich der Kaufpreis durch die Miete amortisiert hat, dauert es rund 34,7 Jahre. Experten raten ab einem Wert von 35 dringend vom Erwerb einer Immobilie als Kapitalanlage ab.

So lässt sich der Mietpreismultiplikator für ein Objekt selbst errechnen:

• Kauf einer Wohnung für 400000 Euro

• monatl. Miete: 1500 Euro = 18000 Euro / Jahr

• Kaufpreis dividiert durch Jahresmiete:

400000:18000 = 22,2

Der Mietpreismultiplikator für das Objekt beträgt 22,2 Jahre. So lange müsste Miete gezahlt werden, um den Kaufpreis wettzumachen.

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