Das „proto_lab“ an der Technischen Hochschule Rosenheim zeichnet den Weg von der Manufaktur sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Richtung Industrie 4.0 nach. Vor eineinhalb Jahren eröffnet, bereitet man sich darauf vor, das lab weltweit bekannt zu machen.
Den Weg zu Industrie 4.0 nachzeichnen
Rosenheim – Getrieben durch Professor Oliver Kramer, Jochen Paul und Roman Paeske von der Technischen Hochschule Rosenheim fiel im März 2017 der offizielle Startschuss für ein einzigartiges Projekt an der Hochschule Rosenheim. Fachübergreifend haben sich über 40 Mitstreiter, Professoren wie Mitarbeiter und Studierende, aus den vier Fakultäten für Wirtschaftsingenieurwesen, Holztechnik & Bau, Ingenieurwissenschaften und Informatik zusammengeschlossen, um eine innovative, hochflexible IoT-Produktions- und Montagezelle auf 250 Quadratmetern zu entwickeln: das „proto_lab“. IoT steht dabei für Internet of Things, die Technologie, bei der physische und virtuelle Gegenstände miteinander vernetzt werden können. Unterstützt wird das Ganze von sieben Industriepartnern und dem Seeoner Kreis. Geforscht wird gemeinsam mit Herstellern von Maschinentechnologie, Arbeitssystemen, Intralogistik-Lösungen und Organisationsmitteln sowie mit Dienstleistern für Prozesstechnik, Produktionsorganisation und IoT-Lösungen.
Organisation in Unternehmen ändern
„Industrie 4.0 ist nur die Spitze des Eisbergs“, sind sich die proto_lab-Initiatoren einig. „Stetig steigende Anforderungen im Bereich Individualisierung und Digitalisierung erfordern schnelles und flexibles Handeln.“ Produktionsplanung und -steuerung müssten deshalb komplett neu gedacht werden. Der eigentliche Wandel greife aber noch viel tiefer: „Wir schaffen in unserem proto_lab die alte, starre und zentralistische Unternehmensorganisation und damit viele nicht wertschöpfende Prozesse ab.“
Menschen, Maschinen, Logistik und Produkte kommunizierten und kooperierten direkt und dezentral miteinander. „Wir dezentralisieren Verantwortungs- und Kompetenzstrukturen und sorgen für eine optimale, systembruchfreie Vernetzung aller Wertschöpfungsteilnehmer, angefangen bei der Idee für ein neues Produkt, über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.“ Im Mittelpunkt: Nicht die intelligenten Maschinen und Apps, sondern der Industriekunde und dessen Wunsch nach Individualisierung.
Das Thema habe Brisanz, da die Unternehmen mit einer zunehmenden Produktvielfalt und nicht mehr planbaren Stückzahlen zurechtkommen müssten. „Hier sind Flexibilität und Kreativität des Handwerks gefragt.“ Der Mensch ist im proto_lab die treibende Kraft und kann mithilfe der dezentralen Vernetzung aller IoT-Teilnehmer – etwa Menschen, Maschinen, Material – Fertigungsaufträge agil planen und steuern.
Im proto_lab wird der durchgängige Produktionsprozess vom Kundenauftrag über Fertigung und Montage bis hin zur Auslieferung abgebildet. Der „Werker“ genannte Labormitarbeiter oder Tester scannt nach vorangegangener hybrider Fertigungs- und Montagekapazitätsplanung – die analog und digital arbeitet – mit seinem Handschuh den Barcode eines Fertigungsauftrags und ist damit eingeloggt in eine eigens entwickelte App, die digital durch die Prozesskette führt.
Am Endgerät seiner Wahl, etwa Tablet, Handy oder lokaler Rechner kann er nun selbstbestimmt seine Arbeit planen. Er zerlegt den Gesamtauftrag in für ihn geeignete kleinere Arbeitspakete. Über die App abonniert er zeitgleich einen intelligenten sowie mobilen Bauteilecontainer, welcher ihn durch die Fertigung begleitet. Der Container kann dabei sowohl von Hand als auch von einem fahrerlosen Transportsystem bewegt werden. An den einzelnen Maschinenstationen, etwa einem CNC-Bearbeitungszentrum, werden über farbig leuchtende LED-Leisten diejenigen Fächer im Container angezeigt, aus denen Teile entnommen beziehungsweise nach der Bearbeitung wieder einsortiert werden müssen.
2019: Vorstellung vor der Weltöffentlichkeit
Beim Sortieren kann der „Werker“ auch von einem Roboter mit dafür eigens entwickeltem Optik- und Greifersystem unterstützt werden. In der abschließenden Produktmontage dient dem Werker die App mit 3D-Ansichten der Baugruppe sowie erneut leuchtende LED-Leisten am Bauteilecontainer als Assistenz.
Durch die Verknüpfung digitaler und analoger Elemente ist dieser Prozess in seiner Flexibilität wegweisend für alle Branchen, sind sich die Initiatoren einig. Das „proto_lab“ wird in Hannover auf der LIGNA 2019 mit den Industriepartnern Barth, Homag, ifp analytics, serva, tresmo und Weigang.Neo der Weltöffentlichkeit vorgestellt.