Rosenheim – Traditions- und qualitätsbewusst, heimatverbunden und großen Wert auf persönliche Kontakte und ein fast schon familiäres Miteinander innerhalb der Belegschaft legend: Nicht nur Tochter Marisa, die ihren Vater als „Seele des Betriebes“ bezeichnet und heute als Geschäftsführende Gesellschafterin in dem Unternehmen fungiert, bringt diese Aspekte fast schon reflexartig ins Spiel, wenn man in der Brauerfamilie nach dem Geheimnis des über Jahrhunderte hinweg andauernden Erfolges nachfragt.
„Da läuft auch heute noch viel über die persönliche Schiene“, sagt Geschäftsführer Andreas Steegmüller-Pyhrr. Auch wenn sich die Marketingstrategien natürlich einschneidend verändert haben. Eine Form der Bierbestellung, die der mittlerweile 81 Jahre alte Seniorchef als Kind noch beinahe täglich mitbekommen hat, wäre heute undenkbar. Kunden, die damals schon ein Telefon hatten, riefen in der Wohnung der Eltern an, die in der Kaiserstraße in Rosenheim eine Gaststätte betrieben, und orderten den Gerstensaft.
„Straffe Strukturen“
sind erforderlich
Sich als Familienbetrieb auf dem umkämpften Bier- und Getränkemarkt gegen Konzernstrukturen in der Brauereilandschaft zu behaupten, stellt für den Rosenheimer Betrieb einen Spagat dar, wie Steegmüller-Pyhrr freimütig einräumt. Man brauche „straffe Strukturen“ und setze auf hohe Qualität, um konkurrenzfähig zu sein, sagt der Geschäftsführer.
Strukturwandel: eine Notwendigkeit, der sich auch Franz Steegmüller nie entzog. Zum Teil legte er bereits vor Jahrzehnten mit weitsichtigen unternehmerischen Entscheidungen die Grundlage für den Erfolg in der Gegenwart „Wenn ein Brauer nicht mehr baut, hat er bald ausgebraut“, sagt er schmunzelnd und gibt zugleich preis, dass in diesem einfachen Spruch ein Erfolgsrezept verpackt ist, dem er stets große Beachtung geschenkt hat. Der Seniorchef hat all die Jahre immer wieder in den Betrieb investiert, der heute eine moderne Braustätte mit ausreichend Fläche und zeitgemäßer Technik darstellt, die eine wesentliche Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist.
Aktuell sind dort 85 Mitarbeiter beschäftigt. Gut 84000 Hektoliter Bier wurden im vergangenen Jahr im Herzen Rosenheims gebraut, hinzu kommt der Ausstoß von gut 50000 Hektolitern nichtalkoholischer Getränke. 19 Biersorten hat das Unternehmen im Portfolio, hinzu kommen neun nichtalkoholische Getränke. Der Spezi zero, ein zuckerfreies Getränk, ist die neueste Errungenschaft in der Produktpalette,
Franz Steegmüller, der noch heute jeden Tag ins Büro kommt, hat sein Augenmerk allerdings nie ausschließlich auf das Brauen und das Bauen gelegt. Auch die Verkaufsstrategien waren ihm stets eine Herzensangelegenheit. Als eine seiner schwierigsten Entscheidungen bezeichnet er noch heute die Tatsache, das er am 16. April 1974 den ersten Außendienstmitarbeiter eingestellt hat. Josef Wierer hieß er. Er ist mittlerweile zwar im Ruhestand, dem Unternehmen aber immer noch eng verbunden.
Gastronomie-Kunden
wichtiger Brückenkopf
Es war die Zeit, als sich der Absatzmarkt für Bier und Getränke zu wandeln begann. Lieferte bisher in der Regel der Bierfahrer ins Haus oder man kaufte die benötigte Menge beim Wirt um die Ecke, entstanden damals die ersten Getränkemärkte. Um ins Geschäft zu kommen, musste man von der zuständigen Konzernzentrale gegen Entgelt erst einmal eine Listung bekommen, um zu wissen, mit wem man über künftige Geschäftsbeziehungen reden muss.
Die Listungen sind auch heute noch von Bedeutung, Online-Kontakte und ein engmaschiges Vertriebsnetz sind mittlerweile ebenfalls Vertriebsalltag, und dennoch setzt man bei der Flötzinger Brauerei weiterhin sehr stark auf das „Persönliche“, wie es Andreas Steegmüller-Pyhrr formuliert. Der Geschäftsführer spricht in diesem Zusammenhang vom „Wirt als Macht im Dorfzentrum“, er spricht auch von den rund 250 Kunden aus dem Bereich der Gastronomie, die die Brauerei hat. „Sie sind unser Sprachrohr zur Bevölkerung und somit ein wichtiger Brückenkopf zum Endverbraucher“, sagt Steegmüller-Phyrr.
Er sieht die Brauerei „wirtschaftlich stabil“ und „gut gerüstet“ für die Zukunft. Die gesamte Familie ist glücklich, dass der Mittelstandsbetrieb seine Selbstständigkeit bewahren konnte und trotz aller Veränderungen auf dem Biermarkt den Wettbewerb mit den Industriebrauereien keinesfalls scheuen muss. „Dafür sind wir unseren Kunden sehr dankbar. Da sind über all die Jahre hinweg auch viele Freundschaften entstanden“, weiß Marisa Steegmüller.
Mit ihrem Vater und ihrem Mann stimmt sie überein, auch in Zukunft alles daran zu setzen, um die hohe Qualität halten zu können, die das Flötzinger Bier ihrer Ansicht nach auszeichnet. „Wir nutzen modernste Technik und geben dem Bier genügend Reifezeit. Deshalb spielen wir in der obersten Liga mit“, sagt der Geschäftsführer und nennt ein Beispiel. Etwa sechs bis acht Wochen dauere der Prozess, den eine Flasche Flötzinger Bier vom Einmaischen bis zum Verladen auf den Lkw durchläuft, der das Produkt zum Kunden bringt. Industriebrauereien veranschlagten hierfür oft nur einen Zeitraum von acht bis neun Tagen. „Das macht den Unterschied. Brauereien, die qualitativ hochwertige Produkte erzeugen, sind vor allem auch deshalb so erfolgreich, weil sie mit den Rohstoffen anders umgehen als Industriebrauereien.“
Eine Philosophie, die sich lohnt. Davon sind die Steegmüllers überzeugt, und die aktuellen Zahlen liefern laut Geschäftsführer den Beweis. In den vergangenen fünf Jahren konnte die Brauerei ihren Umsatz im Jahresdurchschnitt um jeweils 1,7 Prozent steigern – trotz eines schrumpfenden Biermarktes aufgrund eines nach wie vor sinkenden Pro-Kopf-Verbrauchs.
Seit kurzem gibt es Flötzinger Bier beispielsweise auch bei einem Hamburger Getränkehändler. „Wir schwimmen recht erfolgreich auf der Welle mit, dass Deutschland die relativ wenigen kleinen, aber feinen Brauereien entdeckt hat, die Bierbrauen so verstehen wie wir“, erklärt Andreas Steegmüller-Pyhrr die Geschäftskontakte der Regionalbrauerei im hohen Norden.
„Unser wichtigstes Fundament waren und bleiben allerdings immer die Verbraucher in unserer Heimat und die vielen Vereine, die uns schätzen“, lässt Marisa Steegmüller jedoch keinen Zweifel an der alles überragenden Bedeutung der regionalen Verwurzelung des Familienunternehmens. Deshalb will man das Jubiläum auch gemeinsam feiern – zunächst mit Wirten, sonstigen Geschäftskunden und Vertretern des öffentlichen Lebens und dann einen ganzen Tag lang mit den Menschen aus der Region.
Am 5. Mai ist
Tag der offenen Tür
Das soll am Samstag, 5. Mai, bei einem Tag der offenen Tür in der Braustätte in Rosenheim geschehen. „Wir freuen uns drauf“, versichert Marisa Steegmüller und bereitet den wöchentlichen Jour fixe vor. Eine Tradition, die in der Brauerei gepflegt wird und der Familie ganz wichtig ist. „Das ist immer eine gute Gelegenheit, die Mitarbeiter aller Abteilungen auf den gleichen Wissensstand zu bringen, sich auszutauschen und gemeinsam neue Ideen und Projekte zu entwickeln, sagt die Geschäftsführende Gesellschafterin.
Der Seniorchef nickt voller Zustimmung. Man sieht ihm in diesem Moment nicht nur sein nach wie vor ungebrochen großes Interesse am Geschehen im Unternehmen an. Er versprüht förmlich jene innere Zufriedenheit, die nur jemand ausstrahlen kann, der die Firma aktuell in guten Händen auf ihrem Weg in die nächsten 475 Jahre weiß.