Aktuelles Interview

Flexibilität ist wichtig für den Erfolg

von Redaktion

Vor 75 Jahren ist die ODU GmbH & Co. KG mit Sitz in Mühldorf gegründet worden. Ein Gespräch mit den Geschäftsführern Dr. Joachim Belz und Dr. Kurt Woelfl über Meilensteine, internationale Märkte und die Herausforderungen eines Mittelständlers.

75 Jahre ODU – welche Meilensteine sind Ihnen besonders in Erinnerung?

Dr. Woelfl: Meilensteine gibt es einige, sowohl im Bereich der Produkte als auch der Entwicklung des Unternehmens selbst. Vor der Gründung von ODU stand das Patent des Drahtfederkontaktes, mit dem alles anfing. Somit war der erste Meilenstein natürlich die Gründung der Firma. Im Bereich der Produkte ging der Weg vom Patent und Herstellung des Drahtfederkontaktes zur Entwicklung und Produktion von damals neuartigen, mehrpoligen Steckverbindungen. Die Vielfalt der Anwendungen wurde immer größer und somit auch der Bedarf an Komplett- und Systemlösungen. In den 80ern haben wir den modularen Steckverbinder auf den Markt gebracht und kurze Zeit später den erfolgreichen Push-Pull Steckverbinder. Der gestanzte Kontakt, der in Leiterplattensteckverbindungen verwendet wurde und nach wie vor verwendet wird, erweiterte das ODU Produktangebot.

Dr. Belz: Ein weiterer wichtiger Meilenstein war die Internationalisierung des Unternehmens. Damit hat sich ODU auf den Weg in die unterschiedlichen globalen Märkte gemacht. 1985 ging ODU in die USA, zunächst als Joint-Venture und drei Jahre später mit einer 100-prozentigen Tochter. Das ist neben den technischen Fortschritten ein wesentlicher Meilenstein in der Unternehmensgeschichte, ebenso wie der Schritt nach Asien im Jahr 2000, als ODU seinen Vertrieb und die eigene Produktion in China eröffnete.

Warum ist man Mitte der 1980er-Jahre den Schritt in die USA gegangen?

Dr. Woelfl: Wir sind 1985 mit einer Tochterfirma als Joint Venture für Leiterplatten-Steckverbinder in die USA gegangen. In den USA war damals der weltgrößte Markt für Leiterplatten und D-Sub Steckverbinder, in den wir natürlich mit einsteigen wollten. Doch leider hat die Entwicklung des Joint Ventures in den ersten Jahren unsere Erwartung nicht erfüllt, sodass wir alle Anteile übernommen und die Tochtergesellschaft ODU-USA gegründet haben. Wir haben uns auf kundenspezifische Produkte sowie andere Katalogprodukte fokussiert und sind damit bis heute erfolgreich.

2000 ging der Schritt nach Asien, vor welchen Hintergründen?

Dr. Belz: Die Gründung der Vertriebsgesellschaft im Jahr 2000 und ein Jahr später der ODU Manufacturing Shanghai war ein „Mitgehen“ mit einem unserer größten Kunden – damals aus dem Bereich Telekommunikation. Der Kunde hat eine Produktion in China vor Ort gewünscht und so gingen wir als Lieferant mit. Dass dann kurz darauf die große Telekom-Blase geplatzt ist, hat schnell dazu geführt, dass in China auch andere Produkte produziert wurden – zum Beispiel mit dem Schwerpunkt Medizintechnik.

Liegt auf den beiden Märkten den USA und Asien auch heute noch der größte Fokus?

Dr. Woelfl: ODU USA ist nach wie vor die umsatzstärkste Unternehmenstochter. Asien ist mit China ein großer und wachsender Markt.

Wie viel der ursprünglichen Patent-Idee steckt heute noch in den Produkten?

Dr. Belz: Das Prinzip des Drahtfederkontakts ist 75 Jahre weiterentwickelt worden und mit zahlreichen Modifikationen nach wie vor in unseren Produkten zu finden. Die ursprüngliche Idee lebt damit sehr intensiv in unseren aktuellen Produkten weiter, und das nicht zuletzt, weil das Konzept in der elektrischen Verbindungstechnik – wenn es zum Beispiel um hohe Steckzyklen geht – eines der weltbesten und zuverlässigsten Konzepte ist. Sowohl in der Stückzahl als auch im Umsatz ist das damalige Patent damit eine wesentliche Säule des Unternehmens.

Dr. Woelfl: Nimmt man den Erfindergeist an sich, sind in den 75 Jahren natürlich viele Ideen auch in anderen Bereichen hinzugekommen. Und auch in den ODU Standardprodukten steckt eine ganze Menge Innovation. Vor allem im kundenspezifischen Geschäft. Der Kunde kommt zu uns, weil er sonst auf dem Markt keinen Stecker findet und wir erarbeiten eine individuelle Lösung. Das ist unsere Spezialität. Eigentlich wird jede Woche irgendetwas erfunden.

Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen

Somit nimmt Forschung und Entwicklung weiter einen großen Stellenwert ein.

Dr. Woelfl: Die Entwicklung eher als die Forschung, so ehrlich muss man sein. Wir forschen nicht an neuen theoretischen Lösungen, sondern entwickeln sehr produktnah und problembezogen.

Dr. Belz: Unsere Entwicklung ist somit intern sehr anwendungsorientiert. Gleichzeitig ist sie mit vielen externen Forschungseinrichtungen und Universitäten in Kontakt, zum Beispiel, wenn es um die Entwicklung neuer Oberflächen geht. Salopp gesagt, lassen wir in dieser Hinsicht forschen.

Was ist für Sie die größte Veränderung der vergangenen Jahre?

Dr. Woelfl: Es gibt bei ODU nicht die eine, große Veränderung. Die kontinuierliche Anpassung an das Umfeld macht das Unternehmen aus. Anfangs waren wir eine lokale Firma, heute sind wir international aufgestellt. Wir hatten schon immer mehrere Standbeine, die je nach Marktgegebenheit eine unterschiedlich große Rolle spielten und nach wie vor spielen.

Dr. Belz: Ein gutes Beispiel für die Veränderung ist das Thema Telekommunikation. Mit dem Platzen der Telekom-Blase gab es eine Menge Mitarbeiter – von Entwicklung bis Produktion –, die von heute auf morgen eine neue Aufgabe benötigten. Was ODU damals wie heute auszeichnet, ist die Flexibilität und die Fähigkeit, auch über den bestehenden Tellerrand schauen zu können und auszuloten, in welchen zusätzlichen Märkten ODU die eigenen Produkte erfolgreich platzieren kann. Ebenso die Konsequenz, den Wandel – wie von der Telekommunikation zur Medizintechnik – umzusetzen. Natürlich waren die Chancen nicht immer risikolos, aber wir haben es erfolgreich gemeistert.

Über welchen Tellerrand schaut ODU aktuell?

Dr. Belz: 2004 haben wir die ODU Automotive GmbH gegründet. Das war ein Schritt in eine noch unbekannte, aber vielleicht zukunftsreiche Richtung. Zwischenzeitlich sind wir im Bereich Elektromobilität – der weit über das Auto hinausgeht, von Lkw über Golf Caddies bis zu Robotern – gut unterwegs und beliefern weltweit führende Hersteller. Der Erfolg war kein linearer Verlauf, aber das gehört bei neuen Themenfeldern dazu. Eine ähnliche Entwicklung erwarten wir im Bereich erneuerbarer Energien. Auch sie gehen weit über Solar und Windenergie hinaus. Hier machen wir uns intensiv Gedanken, ob das in Zukunft für ODU ein Markt sein könnte.

Globaler Wettbewerb

nimmt deutlich zu

In vielen dieser Bereiche vermutet man als Außenstehender ODU nicht. Macht es die Gewinnung neuer Mitarbeiter schwieriger, für ODU zu werben, ohne dass die Produkte zu sehen sind?

Dr. Belz: Wir leben nach dem Motto „ODU inside“. Unsere Produkte werden als Komponenten verbaut, denn vieles würde ohne elektrische Verbindungstechnik nicht funktionieren. An Beispielen, wie der Küchenmaschine, dem MRT – der „Röhre“ also oder auch an Gerätschaften beim Zahnarzt, beim Augenchirurg oder bei der Entfernung von Tattoos – kann man gut erläutern, wo Technologie von ODU zum Einsatz kommt, warum ODU so erfolgreich ist und warum es sich lohnt bei und mit ODU einzusteigen.

Was ist für Sie das Besondere des Unternehmens?

Dr. Woelfl: Der lebende Erfindergeist, und dass die Mitarbeiter täglich neue Herausforderungen annehmen. Die besondere Art und Intensität der Ausbildung gehört ebenso dazu. Aber auch die besondere Verbindung zwischen Unternehmen und Mitarbeitern. Die gegenseitige Wertschätzung ist schon etwas Besonderes, vor allem in der heutigen Zeit.

Dr. Belz: Und wenn man bedenkt, dass wir 60 Prozent unseres Umsatzes mit kundenspezifischen Produkten erwirtschaften, zeigt das auch die hohe Bereitschaft der Firma, auf individuelle Wünsche einzugehen.

Wie haben sich die Herausforderungen eines Mittelständlers wie ODU in den vergangenen Jahren verändert?

Dr. Belz: Früher hat ein Mittelständler ein ganz anderes Wettbewerbsumfeld gehabt als heute. Zum einen hat der globale Wettbewerb im Bereich der elektrischen Verbindungstechnik deutlich zugenommen. Zum anderen haben sich die Kundenerwartungen hinsichtlich der Qualitätsansprüche und Dokumentation der Produkte verändert. Das heißt, dass der Verwaltungsapparat um das eigentliche Produkt überproportional gestiegen ist. Hinzu kommt, dass die Experten für Steckverbinder in den großen Unternehmen häufig nicht ersetzt werden, wenn sie in den Ruhestand gegangen sind. Das bedeutet, dass die Expertise explizit vom Hersteller erwartet und gefordert wird. Gleichzeitig zeigt es eine Verantwortungsverlagerung – denn wo früher gemeinsam entschieden wurde, will man sich heute auf den Hersteller verlassen.

Macht es die Arbeit einfacher oder schwerer?

Dr. Belz: Das kommt sehr auf den Kunden und die Anwendung an. Es kann uns mehr Flexibilität geben, mehr Optionen, aber auch den Nachteil haben, dass wir mögliche Optionen nicht in der Tiefe mit dem Kunden diskutieren können, wie es früher der Fall war.

Wo sehen Sie ODU in zehn Jahren?

Dr. Belz: In Mühldorf – unter anderem.

Dr. Woelfl: Die wesentliche Anforderung einer Firma wie ODU wird sich nicht groß verändern. Auch in zehn Jahren werden wir eine gesunde Mischung mehrerer Standbeine haben, allerdings werden wir sicherlich noch einmal ein Stück internationaler. Das heißt nicht ausschließlich neue Märkte, aber die Bedeutung von Amerika und Asien wird zunehmen.

Bleibt man den USA stark verbunden – trotz aktueller politischer Rahmenbedingungen?

Dr. Belz: Wir denken nicht in Legislaturperioden – auch nicht in Deutschland. Uns interessiert, wie sich die Märkte entwickeln, und das tun sie ungeachtet der politischen Rahmenbedingungen. Einen Markt wie die USA kann man nicht ausblenden – auch nicht unter den gegebenen Rahmenbedingungen. Es ist auch in manchen europäischen Ländern nicht leicht, als deutscher Hersteller zu punkten, trotz guter politischer Rahmenbedingungen und einem sehr beliebten Präsidenten.

Dr. Woelfl: Ich sehe auch keine Gefahr, dass durch die Politik Trumps mehr Konkurrenten an den Markt kommen oder die Konkurrenz stärker wird. Wenn es keine anderen Lösungen am Markt gibt, werden die Kunden hoffentlich auch weiterhin zu uns kommen. Eine viel größere Herausforderung wird es sein, in Asien weiter Fuß zu fassen und mit unserer Tochtergesellschaft als asiatische Firma akzeptiert zu werden.

Weitere Standorte nicht ausgeschlossen

Gibt es einen Markt, den man besonders im Blick hat?

Belz: In Dänemark haben wir vor nicht allzu langer Zeit eine Tochtergesellschaft gegründet. Dort, wie in Skandinavien als Ganzes, sehen wir noch mehr Potenzial als wir heute abschöpfen und wir verzeichnen ein sehr gutes Wachstum. Auch Europa ist noch nicht komplett erschlossen. Polen ist zum Beispiel ein Land, das sich gut entwickelt hat. Dort werden wir intensiver hineinschauen und mit einem Partner starten. So kann es in Europa in der nächsten Zeit noch neue Gründungen geben. Auch in Japan sind wir seit Jahren sehr erfolgreich und haben dort kürzlich eine neue Niederlassung gegründet, mit der wir neue Akzente setzen können. Und in Italien haben wir eine Tochtergesellschaft gegründet, weil wir dort unter anderem große Potenziale im Bereich der medizinischen Gerätetechnik sehen.

Welche Wünsche haben Sie für die nächsten 25 Jahre, bis zum nächsten Jubiläum?

Dr. Belz: Dass uns die Kreativität, Flexibilität und Geschwindigkeit nicht ausgeht. Das sind die Faktoren, die den Erfolg garantieren. Weltweit wünschen wir uns weiterhin viele qualifizierte Mitarbeiter. In dieser Hinsicht müssen wir auch als Unternehmen etwas tun und größtenteils selbst ausbilden. Wenn das Unternehmen weiter so wächst, kommen wir in der näheren Umgebung an die Grenzen des Potenzials.

Sind Sie mit dem Standort weiterhin zufrieden?

Wölfl: Es war die richtige Entscheidung, in die Pregelstraße zu gehen und nicht in den Industriepark. Wir haben heute den maximal möglichen Grund zur Verfügung. Pläne für Wachstum am Standort gibt es. Hier haben wir noch genug Potenzial. Wir könnten auch 300 Millionen Euro und damit doppelt so viel Umsatz machen wie bisher, ohne nach einem neuen Standort suchen zu müssen. Interview: Nina Kallmeier

Zum Unternehmen

Die ODU GmbH & Co. KG zählt zu den international führenden Anbietern von Steckverbindungssystemen und beschäftigt weltweit insgesamt 1650 Mitarbeiter. Der Großteil von ihnen, gut 900, ist am Firmensitz in Mühldorf beschäftigt. Produktionsstätten hat die Firmengruppe zusätzlich in Sibiu/Rumänien, Camarillo/ USA, Shanghai/China und Tijuana/Mexiko. Der Umsatz belief sich 2016 auf rund 150 Millionen Euro.

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