Herne – Nachbarn klatschen Beifall, als die Giftschlange von Herne am Freitagabend in einem Feuerwehrauto davongefahren wird. Zuvor hatte der Bochumer Schlangenexperte Roland Byner das Tier lebend eingefangen und sie in einer Plastikkiste mit roten Totenkopf-Aufklebern an der Seite aus dem Haus getragen. Erleichterung bei allen: Einsatzkräften, Bewohnern, Nachbarn und Journalisten.
„Endlich ist sie weg und wir können wieder rein“, sagt Collin Bleck. Der junge Mann hatte am Sonntag das bislang einzige Foto der Schlange im Hausflur gemacht, nachdem seine Freundin Lisa-Marie Schapeit das hochgefährliche Tier zuvor im Treppenhaus gesehen hatte. Die Suche nach der 1,60 Meter langen Monokelkobra hatte die Ruhrgebietsstadt tagelang in Atem gehalten. Die 30 Bewohner des aus vier Gebäuden bestehenden Komplexes durften fast bis zuletzt nicht in ihre Wohnungen. Die Keller und das Dachgeschoss wurden versiegelt. Die Stadt gab den Bewohnern am Freitagnachmittag die Garantie, dass sich die Schlange nicht in ihren Wohnungen und im Treppenhaus befindet. Wer wollte, konnte wieder in seine Wohnung. Ordnungsdezernent Johannes Chudziak ging zu diesem Zeitpunkt davon aus, dass das Tier noch im Keller ist – und dass es ohne Nahrung und Flüssigkeit dort in den nächsten Wochen verenden werde.
Dann überschlagen sich die Ereignisse: Ein Nachbar schlägt dem Herner Oberbürgermeister Frank Dudda bei einem Ortstermin vor, aus Sicherheitsgründen den hohen Grasbewuchs hinter dem Gebäude abzumähen. Weil direkt hinter dem Haus die Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel liegt, kommen kurz darauf erst der Bürgermeister von Castrop-Rauxel und dann der Stadtbetrieb Castrop-Rauxel mit einem großen Mähroboter. Der macht so viel Lärm, dass die Schlange aufgeschreckt wird. Sie hat sich in einer Kelleröffnung an der Außenwand versteckt.
Wenige Meter entfernt steht Andreas Wilczek vom Stadtbetrieb. Er sieht etwas in der Öffnung. „Sie hat sich bewegt und versucht, sich zu verstecken“, erzählt der 52-jährige Müllwagenfahrer. Er habe ein „gelb-goldfarbiges Tier“ gesehen. „Ich habe schon oft Schlangen gesehen, aber das war ein Schock für mich“, berichtet er. Er verständigt seinen Gruppenleiter Benjamin Grejner. Der schlägt sofort Alarm. Wenig später ist der Bereich weiträumig abgesperrt und der Schlangenexperte verständigt. Keine anderthalb Stunden nach der erneuten Sichtung kann Byner das Tier lebend fangen. Es hatte sich zuletzt noch unter einer Terrassen-Betonplatte versteckt. Er habe die Schlange schließlich mit einer Schlinge fangen können, sagt Byner.
„Wir sind sehr erleichtert, dass die Situation jetzt zu Ende ist“, sagt Chudziak. „Die Schlange ist in der Box. Die Risikolage ist entschärft.“ Ursprünglich hatte die Stadt auch eine aufwendige Begasung des gesamten Gebäudekomplexes erwogen und sogar schon eine Spezialfirma zurate gezogen. Diese Idee war erst am Freitag zurückgestellt worden.
Die Schlange hatte die Nachbarschaft aufgewühlt. Die Nachbarn um das Haus herum waren wiederholt eindringlich aufgefordert worden, Acht zu geben, kein hohes Gras zu durchschreiten und bei Sichtung der Schlange sofort den Notruf zu wählen. Die Stadt geht davon aus, dass die Kobra aus der Wohnung eines Mieters stammt, in der dieser 20 Giftschlangen hielt. Der junge Mann soll damit gehandelt haben. Laut Stadt bestreitet er, dass die Schlange aus seinem Bestand kam. Ob er wieder in seine Wohnung zurückkehrt, blieb am Freitag offen. Die Stadt hatte zwischenzeitlich alle Tiere aus der Wohnung geholt. Die Kommune will nun herausfinden, ob die Schlange dem Mann gehörte.
Ein Biss der in Asien beheimateten Schlange kann lebensgefährlich sein. Aus Sicherheitsgründen lag deshalb ein Gegengift in der Uniklinik Düsseldorf bereit. Das durch Absperrbänder deutlich zu erkennende Haus war in den vergangenen Tagen zum Ziel von Schaulustigen geworden. HELGE TOBEN