Brunei fordert Toleranz für Steinigung

von Redaktion

Boykottaufrufe gegen Hotels des Sultans zeigen Wirkung – Überlegungen zu EU-Sanktionen

Bandar Seri Begawan/London – Das Sultanat Brunei hat die international heftig kritisierte Einführung der Todesstrafe gegen Homosexuelle in einem Brief an das Europäische Parlament verteidigt. Der „Guardian“ zitierte aus einem vierseitigen Brief des Sultanats an die Europaabgeordneten, in dem es hieß, Steinigungen als Strafe für gleichgeschlechtlichen Sex würden selten sein, da zwei Männer von „hohem moralischem Rang und Frömmigkeit“ als Zeugen erforderlich seien. Im Hinblick auf den Wunsch des Landes, seine traditionellen Werte und seine „Familienlinie“ zu bewahren, fordere man „Toleranz, Respekt und Verständnis“.

Am 3. April waren im Sultanat härtere Strafgesetze in Kraft getreten. Verschärft wurden auch die Strafen für Diebstahl: Künftig müssen Diebe damit rechnen, dass ihnen Hände und Beine amputiert werden. Grundlage dafür ist die Scharia, die im weiten Sinne die religiösen und rechtlichen Normen im Islam regelt. In dem vom „Guardian“ zitierten Brief hieß es weiter, die internationale Kritik sei auf ein Missverständnis zurückzuführen. „Die Kriminalisierung von Ehebruch und Unzucht soll die Unantastbarkeit der Familienlinie und der Ehe von verschiedenen Muslimen gewährleisten, insbesondere von Frauen.“ In dem Sultanat auf der Insel Borneo sind zwei Drittel der mehr als 420 000 Einwohner muslimischen Glaubens. Seit einiger Zeit sind dort konservative islamische Kräfte auf dem Vormarsch. Schwule und Lesben werden in der ehemaligen britischen Kolonie seit Langem unterdrückt. Bislang standen auf homosexuelle Beziehungen bis zu zehn Jahre Haft

Das Europaparlament hat das Sultanat Brunei aufgefordert, die Anfang April eingeführte Todesstrafe für homosexuelle Männer unverzüglich wieder abzuschaffen. Insgesamt müsse das Strafrecht auf Grundlage der islamischen Scharia aufgehoben werden, verlangte das Parlament am Donnerstag in einer Entschließung. Zugleich forderte es den diplomatischen Dienst der EU auf, Sanktionen gegen Brunei zu prüfen – etwa das Einfrieren von Guthaben in der EU oder Visaverbote. Das EU-Parlament hatte auch dazu aufgerufen, die Einfrierung von Vermögenswerten, Visa-Verbote und eine schwarze Liste von Hotels zu prüfen. Unter anderem hatte der Schauspieler George Clooney dazu gefordert, neun Hotels der Dorchester Collection in Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA, die Sultan Hassanal Bolkiah gehören, zu boykottieren. Auch Sänger Elton John hatte den Aufruf verbreitet.

Diese Aktivitäten scheinen nun erste Erfolge zu zeigen: So will die Deutsche Bank die Hotels von der Liste der Unterkünfte streichen, in denen ihre Mitarbeiter absteigen. „Die neuen Gesetze, die Brunei eingeführt hat, verstoßen gegen grundlegende Menschenrechte, und wir glauben, dass es unsere Pflicht als Unternehmen ist, Maßnahmen dagegen zu ergreifen“, sagte Risikomanager Stuart Lewis laut „Welt“. Die „Financial Times“ und die „Welt“ berichteten ferner, dass mittlerweile Firmenveranstaltungen im Londoner „The Dorchester“ abgeblasen wurden. Ähnliches wird auch aus Los Angeles berichtet.

Auch andere Bereiche der Reisebranche ziehen Konsequenzen. Schluss macht die australische Fluggesellschaft Virgin Australia Airlines mit einer Kooperation mit der Royal Brunei Airlines in Bezug auf rabattierte Flugtickets für Mitarbeiter. Ein weltweiter Anbieter von Flugtickets, Hotels, Erlebnis- und Sprachreisen gab bekannt, dass Flüge der Royal Brunei Airlines erst einmal nicht mehr im Programm seien. Und in den Londoner U-Bahnen und Bussen gibt es zukünfitg keine Werbung mehr für Urlaubsreisen in dem Kleinstaat auf der südostasiatischen Insel Borneo. Außerdem wird sich die Universität Oxford mit der Frage befassen, ob sie einen Ehrentitel widerruft, den sie Sultan Hassanal Bolkiah 1993 verliehen hat.

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