Vulkan Ätna rutscht ab

von Redaktion

Die Ostflanke des Vulkans Ätna rutscht ab. Wissenschaftler haben festgestellt: Nicht das aufsteigende Magma des aktiven Vulkans ist die Ursache, sondern die Schwerkraft. Würde der Ostteil des Berges auf einmal ins Meer fallen, besteht die Gefahr eines Tsunamis im Mittelmeer.

Von Susanne Sasse und Anja Garms

Kiel – Es ist ein Schreckensszenario, das Wissenschaftler vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel entwerfen. Denn dass die Ostflanke des Ätnas abrutscht, ist schon länger bekannt. Neu aber ist, dass es sich in erschreckender Geschwindigkeit vollzieht. denn 2016 haben die Forscher unter Wasser fünf Transponder platziert, drei auf dem abrutschenden Hang, zwei auf stabilem Grund. Im Frühjahr 2017 stellten die Wissenschaftler dann fest, dass der Hang innerhalb von acht Tagen ganze vier Zentimeter abrutschte.

Es kann also sein, dass irgendwann große Teile des Ätna auf einem Schlag abrutschen und ins Meer fallen. „Wir können nicht ausschließen, dass die Flankenbewegungen in einen katastrophalen Zusammenbruch resultieren“, sagt Morelia Urlaub, die federführende Wissenschaftlerin. Wenn die Flanken plötzlich kollabieren und große Mengen an Material auf einmal ins Meer abrutschen, könnte das einen Tsunami „mit extremen Auswirkungen“ auslösen.

Der Ätna liegt an der Ostküste Siziliens und ist mit um die 3300 Meter einer der höchsten Vulkane Europas. Er hat vier Hauptkrater und hunderte Nebenkrater, aus denen bei Ausbrüchen Magma austritt. Der Vulkan ist ständig aktiv; immer wieder kommt es zu kleineren und größeren Ausbrüchen, die auch den Flugverkehr der Insel oft beeinträchtigen.

Dass die südöstliche Flanke des Vulkans in Bewegung ist und ins Meer rutscht, ist seit Längerem bekannt. „Das gesamte Vulkangebäude ist sehr hoch und schwer“, erläutert Wissenschaftlerin Urlaub. „Das hat zur Folge, dass sich der Vulkan quasi ständig in alle Richtungen ausbreiten möchte. Am ehesten kann er das in Richtung Meer.“ Welche Prozesse das Hinabgleiten der Vulkanhänge auslösen, ist bisher nicht genau erforscht. Ein Grund dafür sei, dass die Bewegungen des Vulkans bisher immer nur an Land vermessen wurden, schreiben die For-scher. Der unterseeische Teil des Feuerbergs sei weitgehend unberücksichtigt geblieben, weil satellitenbasierte Messungen unter Wasser nicht möglich seien.

Gemeinsam mit Forschern der Universität Kiel und des Ätna Observatoriums in Catania (Italien) machte sich Urlaub daran, diese Beobachtungslücke zu schließen. Die Forscher brachten dazu in etwa 1200 Metern Wassertiefe fünf mit Drucksensoren ausgerüstete Transponder an der instabilen Flanke des Vulkans an, oberhalb und unterhalb einer von West nach Ost verlaufenden Verwerfungszone. Diese trenne den instabilen Teil des Vulkans von stabileren Bereichen. Die Transponder messen, wie lange ein akustisches Signal zwischen ihnen hin und herandert. Die Drucksensoren zeichnen den Druck der Wassersäule auf, die sich mit der Tiefe ändert. Zusammen las-sen sich aus den Messdaten Rückschlüsse auf die Bewegung der Flanke in horizontale und vertikale Richtung ziehen. Die meiste Zeit blieb der Abstand zwischen den Transpondern im Netzwerk gleich. Im Mai 2017 gab es dann über einen Zeitraum von acht Tagen deutliche Veränderungen: In diesem Zeitraum hatte sich die Flanke unter Was-ser etwa vier Zentimeter seitwärts in östliche Richtung bewegt und etwa einen Zentimeter abwärts.

Die Aktivität des Magmas sei für die beobachtete Rutschung nicht oder zumindest nicht allein verantwortlich, schreiben die Wissenschaftler. In dem betreffenden Zeitraum sei keine Zunahme der Magma-Aktivität festgestellt worden. Wenn aufsteigendes Magma verantwortlich wäre, würde man die größten Verschiebungen zudem nahe dem Vulkanzentrum erwarten – auch dies sei nicht der Fall, schreiben die Forscher. Sie folgern daraus, dass die Schwerkraft die Vulkanflanke in Bewegung setzt. Ob das Absinken des Kontinentalrandes in der Region möglicherweise eine Art Zug auf den Vulkan ausübt oder der Vulkan einfach aufgrund seiner Größe und Schwere abwärts rutscht, müsse noch weiter erforscht werden, erläutern die Wissenschaftler.

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