Erbinformationen: Chancen und Risiken der Gen-Schere „CRISPR“

Warnung vor Menschenversuchen

von Redaktion

Berlin – „Das ist ein Menschheitsthema, das man nicht alleine den Wissenschaftlern überlassen darf.“ Das sagt der Chef des Deutschen Ethikrates, Professor Peter Dabrock, mit Blick auf die Gen-Technik Crispr/Cas. So heißt eine Art chirurgische Gen-Manipulation, mit der sich sehr zielgenau und einfach Änderungen an den Erbinformationen vornehmen lassen. Die Methode wird zwar erst seit einigen Jahren angewandt. Doch bei Pflanzen und Tieren sind die Forscher schon recht weit. Einige Länder schreiten auch in Richtung Anwendung am Menschen voran.

Dabrock spricht sich deshalb für eine internationale Institution etwa wie die Atomenergiebehörde in Wien aus, die diesen Prozess beobachtet, und warnt davor, das neue Werkzeug der Gentechnik unkontrolliert für Veränderungen in der menschlichen Keimbahn einzusetzen. „Wir sehen, dass in der Forschung, gerade im Bereich der Medizin, in einer Intensität mit der Gen-Schere gearbeitet wird. Das kommt einer Goldgräberstimmung gleich“, erläuterte der Theologe, der als Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg tätig ist. „Da wird viel getan, und da fließen Milliarden an Forschungsgeldern, aber auch an Investitionsgeldern rein.“ 2017 hatte der Ethikrat eine Empfehlung an die Bundesregierung und den Bundestag veröffentlicht, in der eine internationale Konferenz vorgeschlagen wird, ähnlich wie Klimakonferenzen.

Der Aufstieg der Gen-Schere Crispr/Cas begann 2012. Damit können auch gezielt und schneller als bisher Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften gezüchtet werden. Ob so entwickelte Organismen und Lebensmittel daraus von den Behörden wie klassische Gentechnik eingestuft werden sollen, dazu wird derzeit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erwartet. In den USA dürfen Züchtungen mit Crispr/Cas derzeit ohne spezielle Kennzeichnung in den Handel. „Ich sehe im Bereich Landwirtschaft kurz- bis mittelfristig sehr interessante Entwicklungen“, sagte Dabrock über das Potenzial der Technik.

In South Dakota streift der Farmer Jason McHenry durch ein Feld mit Sojabohnen. Er setzt auf Sojabohnen, die mit neuen Methoden des Gen-Editing verändert wurden. Ihr Öl sei gesünder als das normaler Sojabohnen. Es enthält keine sogenannten Transfette. Zwar wurde dafür nicht die Crispr-Gen-Schere selbst benutzt, sondern ein älteres, aufwendigeres Gen-Editing-Verfahren. Aber ähnliche, mit Crispr bearbeitete Pflanzen stehen auf Versuchsfeldern beim Agrarkonzern DuPont, der mit Crispr einen besonders stärkehaltigen Mais entwickelt hat. Anderswo wächst Weizen, der resistent gegen Mehltau ist. Champignons, die durch Crispr nicht so schnell Druckstellen bekommen, sind bereits zu kaufen.

In Berlin arbeitet das Team um Jan Philipp Junker mit Embryonen von Zebrafischen im Ein-Zell-Stadium. Die Forscher injizieren die Gen-Schere Crispr/Cas9 in die Zellen. Sie zerschneidet dann immer wieder eine Sequenz, die der Fisch nie braucht. Die Zelle repariert den Schaden schnell, und dabei entstünden kleine Fehler, quasi Narben im Genom. Dann teilt sich die Zelle und vererbt die genetischen Narben an die Tochterzellen. So lässt sich an den Narben herausfinden, wer die Vorfahren bestimmter Zellen waren. „Wenn wir wissen, wo Zellen herkommen, können wir bessere Mechanismen finden, um viele Krankheiten zu bekämpfen. Etwa bei Krebs“, sagt Junker. Sein Team nutzt die Gen-Schere, um das Wissen über die Stammbäume von Zellen zu erhöhen und mit Heilmethoden vorzubereiten, nicht aber, um veränderte Lebewesen zu erzeugen.

Vor leichtfertigen Eingriffen in die menschliche Keimbahn warnt auch Emmanuelle Charpentier, Mit-Entdeckerin der Gen-Schere Crispr/Cas9, die am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin forscht. Sie fordert die Wissenschaft auf, Verantwortung für mögliche Risiken durch das Verändern der Gene zu übernehmen. „Ich bin wirklich überrascht, mit welcher Geschwindigkeit sich die Crispr-Forschung in den vergangenen fünf, sechs Jahren entwickelt hat. Für die Entwicklung von Therapien für gefährliche Genkrankheiten wie etwa Krebs, HIV-Infektionen oder Sichelzellenanämie, um nur einige zu nennen, ist das Potenzial der Technik sehr vielversprechend“, erläutert die französische Mikrobiologin.

In menschliche Keimbahnen einzugreifen, hält sie aber für problematisch: „Wir müssen sicherstellen, dass es für jede potenzielle Therapie am Menschen angemessene Sicherheits- und Effizienz-Maßnahmen gibt und dass jede ethisch fragwürdige Nutzung dieser Technik verboten wird.“

Auch Ethikrats-Chef Dabrock dringt darauf, sich Gedanken über die Risiken der Technik für kommende Generationen zu machen: „Wenn Sie der Auffassung sind, in der zweiten oder dritten Generation könnten noch gravierende gesundheitliche Schäden auftreten, die wir in der ersten Generation, an der die Manipulation durchgeführt wurde, nicht sehen, dann müssten Sie eigentlich sagen: Das Risiko ist zu groß, denn das wäre ein unverantwortlicher Menschenversuch.“

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