Ein Toter / Züge im Norden stehen still

„Herwart“ bringt tödliche Sturmflut

von Redaktion

Von Stella Venohr und Susanne Sasse

Dortmund/München – Herbststurm „Herwart“ hat am Sonntag mindestens zwei Menschenleben gefordert. Bei der Sturmflut an der niedersächsischen Nordessküste kam ein 63-Jähriger ums Leben, in Wolgast, Mecklenburg-Vorpommern, starb eine Frau nach einem Bootsunfall.

Der 63-Jährige hatte laut der Polizei Delmenhorst gemeinsam mit seinem 59-jährigen Bruder in einem VW-Bus vor dem Deich auf dem Gelände des Strandbads Sehestedt am Jadebusen übernachtet. In den frühen Morgenstunden wurden beide von den schnell steigenden Wassermassen überrascht. Dem Bruder gelang es, sich an einem Mast festzuklammern, später wurde er dort von einem Schlauchboot gerettet. Der Ältere blieb zunächst verschwunden. Seine Leiche entdeckten die Rettungskräfte gegen 8.30 Uhr vom Hubschrauber aus.

Das zweite Opfer, eine Urlauberin aus Sachsen, war mit zwei weiteren Insassen in einem Boot auf dem Peenestrom gekentert. Sie kam zunächst in ein Krankenhaus und starb dort. Ein Mann wurde gerettet, der dritte Insasse war am Sonntagabend noch verschwunden.

Weniger dramatisch aber zeitraubend ist „Herwart“ für Bahnreisende. Wer Richtung Norden will, für den heißt es am Sonntag in Dortmund erst einmal Endstation. Ein Schild über dem Gleis zeigt es an: Hier steht ein Hotelzug. In dem finden Bahnreisende, die wegen des Sturmtiefs gestrandet sind, eine Anlaufstelle: „Wir wollten von der Arbeit aus zu einer Städtereise nach Hamburg“, sagt Christine John am Mittag. Stattdessen sind sie und ihre Kollegen nun schon seit 8 Uhr am Dortmunder Hauptbahnhof und kommen nicht weiter. Trotzdem ist die Laune der Gruppe nicht im Keller: „Das ist halt höhere Gewalt und wir werden hier gut versorgt“, meint John. Das Bahnpersonal bemühe sich sehr um gute Stimmung.

Viele Fernzüge in Richtung Norden enden oft schon in Dortmund, weil die Deutsche Bahn den Zugverkehr in mehreren Bundesländern eingestellt hat. Auch in Hamm und Bielefeld stehen am Sonntag Hotelzüge bereit. Schon beim Sturm „Xavier“ Anfang Oktober gab es dieses Angebot für gestrandete Reisende. Am Wochenende ist es nötig: In sieben Bundesländern rollen bis auf Ausnahmen keine Züge mehr, teilt eine Bahnsprecherin am Sonntag mit. Berlin, Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel seien nicht erreichbar.

In weiten Teilen Deutschlands richtet der Sturm Schäden an. Allein die Feuerwehr in Berlin wird am Sonntagmorgen binnen drei Stunden zu 100 Einsätzen gerufen. Sie ruft den Ausnahmezustand aus und mobilisierte alle Freiwilligen Feuerwehren der Stadt. Es wird gefährlich: An zwei Orten in Berlin stürzen Baugerüste um – ein Fußgänger wird schwer verletzt. Zwei S-Bahnen rammen umgestürzte Bäume – verletzt wird dabei zum Glück niemand.

Am Hamburger Hafen tritt die Elbe übers Ufer. Nahe der Elbphilharmonie droht eine Tiefgarage vollzulaufen, sagt ein Feuerwehrsprecher. Die Elbchaussee entlang des Hamburger Hafens wird überspült und gesperrt, ebenso der Hamburger Fischmarkt. Der Pegelhöchststand in Hamburg von 2,5 Metern über dem mittleren Hochwasser wird am Sonntagvormittag erreicht. Die Feuerwehr rückt in der Nacht 170 Mal aus.

In Wangerooge spült der Sturm sogar einen ganzen Strand weg. In der Deutschen Bucht vor Langeoog reißt er einen Frachter los. Versuche, die 225 Meter lange „Glory Amsterdam“ zu bergen. bleiben zunächst erfolglos. Die 22 Menschen an Bord sind laut einer Sprecherin des Havariekommandos unverletzt.

Vor allem in Norddeutschland kippen viele Bäume um, fliegen Trampoline durch die Gegend und werden Häuser abgedeckt. Im nordfriesischen Oldenswort fällt eine historische Mühle dem Sturm zum Opfer. Den Osten Deutschlands erreicht der Sturm am frühen Sonntagmorgen, ein Baum kippt auf ein Haus. Aber zum Glück bleiben die Bewohner unverletzt.  mit Material von afp und dpa

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