Rechtsmediziner müssen immer öfter Flüchtlinge prüfen

von Redaktion

Wer oft „Tatort“ schaut, könnte meinen, Rechtsmediziner obduzieren nur Leichen. Mittlerweile werden die Experten öfter um Gutachten für Asylverfahren gebeten.

Angesichts der vielen unbegleiteten jungen Flüchtlinge ohne Ausweispapiere werden Rechtsmediziner verstärkt um Altersschätzungen gebeten. Erlaubt ist das nur bei einem Strafverfahren wie derzeit bei Hussein K. Dazu gehören Röntgenaufnahmen des Gebisses und des Handwurzelknochens sowie Computertomografien der Schlüsselbeingelenke. „Die Gelenk-Enden der Schlüsselbeine verknöchern am spätesten im Leben“, sagt Stefanie Ritz-Timme, Direktorin der Rechtsmedizin am Uniklinikum in Düsseldorf. Altersschätzungen ohne strafrechtlichen Hintergrund werden als unethisch kritisiert. Deswegen forschen die Mediziner daran, wie man über einen Mundschleimhaut-Abstrich und die so gewonnene DNA das Alter bestimmen könnte.

Außerdem müssen die Rechtsmediziner mutmaßliche Folterspuren bewerten. Denn viele Flüchtlinge geben an, in ihrer Heimat gefoltert worden zu sein. „Wir sehen da alles – bis hin zu schwersten Verstümmelungen“, sagt Ritz-Timme. „Im Asylverfahren wird ihnen in aller Regel erst mal nicht geglaubt“, sagt Ritz-Timme. Lange habe die Meinung vorgeherrscht, bei alten Narben seien keine Rückschlüsse mehr möglich. „Das ist aber in vielen Fällen nicht so.“

Neben einer körperlichen Untersuchung müssen sich die Ärzte von den Betroffenen erzählen lassen, was ihnen zugefügt wurde. Der Bericht wird nach internationalen Standards mit den Narben auf Plausibilität abgeglichen: Doppelstriemige Hautunterblutungen weisen auf Stockschläge hin, Narben mit unregelmäßigem, kurvigen Verlauf auf Schläge mit Drahtkordeln. Aber: Viele Foltermethoden wie etwa Schlafentzug hinterlassen keine körperlichen Spuren.

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