Zum Artikel „Brenner-Nordzulauf: Bahn weist Ausbaukonzept zur Bestandsstrecke im Inntal zurück“ (Regionalteil):
Es war wohl abzusehen, dass das Planungsteam der Bahn den von den Bürgerinitiativen beauftragten Vorschlag des Planungsbüros Vieregg-Rössler zum Ausbau der Bestandsstrecke alternativ zur Neubautrasse mit fachlichen Argumenten ablehnen wird. Der politische Auftrag ist zu eindeutig, weil die darin geforderte Kapazität von 400 Zügen am Grenzübergang nur mit einer Neubautrasse erfüllt werden kann. Kommt das von CDU/CSU geforderte Beschleunigungsgesetz, so werden auch keine Petitionen, Proteste und örtlichen Aktionen helfen – die Planung wird verstärkt weitergehen. Die SPD wird sich kaum dagegenstellen, will man die Klimaziele im Verkehr erreichen, auch wenn örtliche Politiker anderes verlauten lassen.
Noch steht aber die politische Entscheidung für den betreffenden Bau aus – sie ist für 2022 geplant. Dazu wartet man in Berlin und Wien auf die Vorzugstrasse und man hofft dort, dass diese im Einvernehmen mit der Region gefunden wird – vermutlich vergeblich, weil die Widerstände zu groß sind. Also wird das Planungsteam ein Ergebnis präsentieren auf der Basis der Erkenntnisse aus Raumordnungsverfahren und Dialogprozess. Im Prinzip ist hier nur fraglich, ob es eine westliche oder östliche Umfahrung von Rosenheim wird. Daran werden sich in den Dialog-Foren die Geister scheiden. Die Bundestagsentscheidung über den Bau wird davon abhängen, welche Parteien 2022 die Regierung stellen. Dies kann den Prozess verzögern – verhindern voraussichtlich nicht, weil jede mögliche Koalition handeln muss, um mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Nur wenn dem Staat infolge einer Rezession das Geld ausgeht, wären die Karten in dem Spiel neu gemischt.
Manfred Kreibig
Pocking
Statt die Bestandstrasse in die Planungen einzubeziehen, redet die Bahn das Konzept des Planungsbüros Vieregg-Rössler gezielt schlecht. Nicht überraschend, hat doch der neue Projektleiter Matthias Neumaier schon beim Info-Markt der Bahn in Rohrdorf Ende Juli behauptet: „Vieregg hat noch nie ein Projekt verwirklichen können“. Diese irreführende Äußerung wurde vom Bahnvorstand nicht bestritten, aber als „aus dem Zusammenhang gerissen“ abgetan, eine Entschuldigung verweigert. Trotz des Schuldenbergs der Bahn von 25 Milliarden und einem Sanierungsstau von 58 Milliarden Euro wird den Menschen eine immens teure untertunnelte Neubaustrecke vorgegaukelt. Frau Ludwig beklagte 2016 noch „die Zerschneidung landschaftlich wertvollster Flächen“, geht aber jetzt wie Herr Scheuer Lobbyisten der Bau- und Transportwirtschaft auf den Leim. Obwohl der Schienengüterverkehr über den Brenner zuletzt sank, prophezeien sie unisono eine Verlagerung des Straßengüterverkehrs. Dagegen betont sogar die Aktionsgemeinschaft Brennerbahn: „Es geht nicht um die Verlagerung bestehenden Lkw-Verkehrs auf die Schiene, sondern um Schaffung von Zusatzkapazitäten!“ Was also bleibt am Ende? Wenn die Politik keine besseren Rahmenbedingungen zur Vermeidung von Umweg- und Mehrverkehr schafft: Erstens: Eine steuerfinanzierte oberirdische Neubautrasse, die laut Beratern der Bundesregierung vorrangig Spediteuren zur Senkung der Lkw-Betriebskosten dient. Zweitens: Die weitgehende Zerstörung von Landschaft und landwirtschaftlichem Nutzgrund. Drittens: Eine veraltete Bestandstrasse mit Güterzugverkehr und mangelhaftem Schallschutz. Viertens: Trotz allem eine insgesamt steigende Verkehrsbelastung mit Blockabfertigung und Straßenstau, denn der bestehende Verkehr wird ja nicht verlagert.
Dr. Frieder Storandt
Neubeuern