Frankfurt – Die künftige Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, will am ultralockeren geldpolitischen Kurs ihres Vorgängers Mario Draghi festhalten und sieht bei den bereits in den Minusbereich abgesenkten Zinsen weiteren Spielraum nach unten. In schriftlichen Antworten auf Fragen des Europäischen Parlaments verwies Lagarde auf die geringe Inflation und die schwache Konjunktur. Es sei klar, dass die Geldpolitik „entgegenkommend“ bleiben müsse. Die EZB hat nach Ansicht Lagardes die Zinsuntergrenze noch nicht erreicht. Die Notenbank verfüge zudem über einen umfassenden Instrumentenkasten und sei bereit zu handeln. Die Formulierungen erinnern an die Wortwahl Draghis, dem Lagarde im Herbst folgt. Dieser hatte 2012 angekündigt, dass er den Euro um jeden Preis („whatever it takes“) retten werde.
Nach ihrer mehrjährigen Null- und Minuszinspolitik habe die EZB „ihr Pulver bereits verschossen“, sagte hingegen Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, unserer Zeitung. „Das rächt sich jetzt.“ Wenn die EZB den Einlagenzins Mitte September – wie erwartet wird – von minus 0,4 auf minus 0,6 Prozent absenkt, „freuen sich die Finanzminister der hoch verschuldeten Länder im Süden der Währungsunion. Aber der Konjunktur bei uns wird das nichts nützen.“ Krämer: „Anstatt ihren begrenzten Einfluss zu akzeptieren, kämpft die EZB gegen eine unvermeidlich niedrige Inflation und leistet so dem Entstehen gefährlicher Übertreibungen – zum Beispiel am Immobilienmarkt – Vorschub.“
An den Börsen kam es nach Lagardes Aussagen zu Kursgewinnen. Der Euro gab gegenüber dem Dollar deutlich nach.