Frankfurt/München – Die Europäische Zentralbank (EZB) ist mit Blick auf die jüngste Entwicklung in Italien beunruhigt. Eine Ansteckungsgefahr durch Italien für andere Länder der Eurozone sei „noch nicht ganz vom Tisch“, sagte EZB-Vizepräsident Vitor Constancio am Donnerstag. Dies gelte insbesondere dann, falls der starke Anstieg der Renditen italienischer Staatsanleihen weitergehe.
Die Regierungsbildung in Italien hat die Kurse italienischer Staatsanleihen seit Mitte Mai stark unter Druck gebracht und die Kapitalmarktzinsen steigen lassen. Sollte sich der Trend fortsetzen, würden neue Kredite für das ohnehin hoch verschuldete Land immer teurer werden. Eine verhängnisvolle Spirale könnte in Gang gesetzt werden, die zum Beispiel Griechenland Anfang des Jahrzehnts an den Rand des Abgrundes getrieben hatte.
Der frühere Präsident des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, warnte angesichts der gestiegenen Anleihenkurse in Italien vor den Folgen. „Das ist der mögliche Einstieg in eine neue Finanzkrise“, sagte er im Interview mit unserer Zeitung. Der Ökonom sieht die bisherige europäische Rettungspolitik in einer Sackgasse angekommen, die Politiker hätten die Probleme vor sich hergeschoben. Das ganze Eurosystem sei für Südeuropa „wie eine Droge“, sagte er. GfK-Volkswirt Rolf Bürkl warnte, Italien könne eine größere Sprengkraft entfalten als andere Krisenherde. „Das Land ist zu groß, um gerettet zu werden.“
Die bayerische Wirtschaft beobachtet die Regierungsbildung in Italien mit wachsender Sorge. Eine EU-kritische Politik und das geplante milliardenschwere Ausgabenprogramm sei ein falsches Signal, kritisierte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt. Manfred Gößl, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, sagte: „Kein anderes deutsches Bundesland ist wirtschaftlich so eng mit Italien verflochten wie Bayern.“ Die bayerische Wirtschaft sorge sich, dass die in den vergangenen Jahren gut gelaufenen Geschäfte mit Italien abflauen könnten. dpa/sh