Diät für die Designer-Möbel

von Redaktion

Die Mailand-Trends: Hauchdünne Tische und schwebende Betten

In teuren Restaurants liegt weniger auf dem Teller. Auch bei den Möbeln zeigt sich gerade: Für die Designer darf es aktuell etwas weniger sein – aber nur scheinbar.

Es klingt ein wenig wie eine Beschwerde, als Philippe Starck auf der weltweit wichtigsten Messe der Möbelbranche, dem Salone del Mobile in Mailand, am Stand von Kartell spricht. „Ich bin ein Arbeiter, ich bin ehrlich, das wisst ihr. Wenn ich mir nach all den Jahren meine Sachen ansehe, und auch das, was andere machen, dann habe ich das seltsame Gefühl, es ist immer das Gleiche“, so Starck. „Mal machen wir schwarze Stühle, mal machen wir rote Stühle. Wo bleibt denn da das Wunder?“ Und wo ist das wirklich Neue?

So weit wie möglich wird das Material an vielen Möbeln reduziert. Sofas, Sessel und Betten stehen auf dünnen, sogar dürren Beinen. Der Designer Naoto Fukasawa, der sich sowieso der Einfachheit von Produkten widmet, verschmälert die Taille des eleganten Longchairs Land für Plank so weit, dass man sich unweigerlich fragt: Fehlt da nicht etwas?

Die Unternehmen gehen bei ihren Präsentationen diese Fragen an, denn genau das ist das Neue: Sie setzen ihre Möbel bewusst auf Radikaldiät, bieten dabei aber großen Komfort und Praktikabilität. Der Reiz daran: Das Minimalistische sieht stilvoll und schick aus. In manchen Möbeln steckt mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich. Weit mehr. Zum Beispiel im hauchdünnen Tisch Fila von Konstantin Grcic für Plank, der auf geradezu dürren Beinen stehen kann.

Für Moroso hat Stardesignerin Patricia Urquiola übertragen gesprochen mit Steinen gespielt – die man vorsichtig ausbalanciert stapeln kann. Ergibt sich eine Balance zwischen den ungleichen Elementen, könnten normale kräftige Formen ganz leicht wirken, erklärt das Unternehmen. Herausgekommen ist das Sofa Gogan, das in grauer Farbe auch an die Steinskulptur erinnert. Da die Sitzfläche am Schwerpunkt leicht nach hinten geneigt ist, erhöhe sich außerdem der Komfort beim Sitzen.

Beim Bett namens Friday Night für Zeitraum hat das Designduo Formstelle zu einem anderen Kniff gegriffen: Die Rückenlehne geht auf halbem Weg in eine Biegung und wird unten zugleich zu den schlanken Hinterfüßen des Bettes. Das verschlankt die Seite optisch. Das Bett wirkt je nach Blickwinkel, als würde es schweben. Auch hinter Philippe Starcks Auftritt am Stand des italienischen Möbelproduzenten Kartell in Mailand steht so eine verschlankte Produktentwicklung. Dafür hat er sogar mal kurz seine Rolle als Designer abgegeben. Auf seine Anregung hin erhielt eine künstliche Intelligenz den Auftrag, einen Stuhl zu formen, der mit so wenig Material wie möglich auskommt. Dabei soll er aber komfortabel, stabil und solide sein sowie ästhetische Grundvoraussetzungen erfüllen. Kooperationspartner dabei ist Autodesk, ein US-Unternehmen für 3D-Software. „A.I.“ ist das Ergebnis – ein Stuhl, der nur zwei übliche gerade Beine vorne hat. Hinten gehen die schrägen Beine bis hoch zur Lehne. Kartell spricht davon, dass dies „das erste durch künstliche Intelligenz konzipierte Designobjekt“ sei.Simone A. Mayer

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