Wenn 65 Jahre Berufserfahrung aufeinanderprallen, dann hat man sich viel zu erzählen. Zeit für einen augenzwinkernden Rückblick in Form eines Zwiegesprächs zwischen den beiden Praxispartnern Dr. Hubert Heindl und Dr. Dirk Meyer-Juergens, die in der Uhlandstraße in Rosenheim ihre Gemeinschaftspraxis führen.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, ausgerechnet Zahnarzt zu werden?
Dr. Hubert Heindl: Bei meinem ersten Besuch beim Zahnarzt bin ich vom Stuhl gesprungen und aus der Praxis gerannt. In der Jugend bin ich aber dann meinem großen Zahnarztvorbild begegnet. Er arbeitete in einer ganz ruhigen Praxis, es lief klassische Musik, alles war superrein und es roch auch noch gut. Er hat sehr konzentriert und offensichtlich sehr gut gearbeitet, was ich am Ergebnis natürlich erst viele Jahre später feststellen konnte. Ein Leben lang so zu arbeiten, konnte ich mir damals gut vorstellen. Da ich nicht für alle Schulfächer Begeisterung empfand, musste ich dann erst einige Umwege in Kauf nehmen, bevor ich den Studienplatz antreten durfte. Danach habe ich viele Jahre mit meinem großen Vorbild vor Augen gearbeitet und diesem nachgeeifert, auch wenn sich mit der Zeit viel verändert hat.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Was hat sich denn verändert?
Dr. Hubert Heindl: Zum Bohren hat sich mein großes Vorbild einen Kopfhörer aufgesetzt, um sein Gehör zu schützen. Damals wurde viel mit der Turbine gearbeitet. Die war laut und unangenehm schrill. Gehörschäden zählten zum zahnärztlichen Alltag, Rückenschmerzen ebenso. Heute tun wir viel, um ergonomisch zu sitzen und auf diese Weise gesund zu bleiben. Laut und schrill sind die Bohrer zum Glück auch nicht mehr. Außerdem wünschen sich heutzutage nur noch die wenigsten Patienten klassische Musik bei der Zahnbehandlung. Aber jetzt erzählst du, warum du unbedingt Zahnarzt werden wolltest?
Dr. Dirk Meyer-Juergens: In meiner Familie sind fast alle Zahnärzte – bereits in der vierten Generation. Hätte ich mich für etwas Vernünftiges entschieden, hätten mich alle schief angeschaut. Spaß beiseite: Dieser Beruf ist für mich Berufung und Hobby zugleich.
Dr. Hubert Heindl: Das musst du jetzt näher erklären.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Vielen Menschen ist der Zahnarztbesuch ein Greul. Ich möchte den Patienten die Behandlung so leicht wie möglich machen. Da gehört auch mal Spaß dazu. Ebenso wichtig ist aber: Wir können einem Menschen buchstäblich das Lachen zurückgeben. Dieser Herausforderung stelle ich mich tagtäglich immer wieder gerne. Wie lautet dein Resümee nach 39 Jahren Berufserfahrung?
Dr. Hubert Heindl: Je länger ich diesen Beruf ausübe, desto klarer wird mir die Bedeutung der Vorsorge. Prophylaxe im Kindesalter, Motivation zur Mundhygiene und lebenslange halbjährliche professionelle Zahnreinigung. Etwas überspitzt formuliert ist dies das einzig wirklich Sinnvolle, das wir tun.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Unser Hauptgeschäft sind aber nach wie vor Füllungen, Kronen und der Ersatz von Zähnen, oder siehst du das anders?
Dr. Hubert Heindl: Natürlich verdienen wir damit unser Geld und sind ständig bestrebt, dies perfekt zu machen. Aber auch wenn das alles der Natur ästhetisch und funktionell schon oft sehr nahe kommt, bleibt es letztendlich immer nur ein Ersatz.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Was bedeutet das für die tägliche Praxis?
Dr. Hubert Heindl: Die Prophylaxe als Grundlage unserer Arbeit gehört in die Hände von Profis, sprich DentalhygienikerInnen, die in ihrer dreijährigen Zusatzausbildung viel intensiver auf diesem Gebiet geschult werden als wir Zahnärzte. Darum lassen doch sogar wir uns regelmäßig von unseren DentalhygienikerInnen „auf den Zahn fühlen.“ Wir können eben auch nicht alles. Wenn es nötig ist, wird auch an ausgesuchte Spezialisten überwiesen.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Hast du ein Arbeitsmotto?
Dr. Hubert Heindl: Jeden Tag selbstkritisch bleiben und nach Möglichkeit jeden so behandeln wie einen Freund oder Familienangehörigen. Ohne Kompromisse.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Das klingt teuer.
Dr. Hubert Heindl: Ja, tatsächlich kostet das manchmal viel Geld. Aber es rentiert sich auch. Ein Vergleich: Als hervorragende Köchin legte meine Oma sehr großen Wert auf qualitativ hochwertige Küchengeräte. Sie sagte immer, dass sie sich nichts Billiges leisten könne. Lieber was Gescheites kaufen und das nur einmal. Am Ende ist das günstiger.
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Was bedeutet das jetzt für unsere Arbeit.
Dr. Hubert Heindl: Wir müssen unsere Patienten nach bestem Wissen und Gewissen von einer hochwertigen Versorgung überzeugen und dann zu einem regelmäßigen „Kundendienst“ motivieren, damit ein Ersatz über viele Jahre „scheckheftgepflegt“ und funktionstüchtig bleibt. Das gelingt nur mit den besten „Zulieferern“, sprich Dentallabors. Du hast doch auch schon 26 Jahre in dem Beruf auf dem Buckel. Wie ist dein Fazit?
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Ja, tatsächlich zähle auch ich schon zu der älteren Generation von Zahnärzten, auch wenn ich das natürlich nicht wahrhaben will. Ich hatte das Glück, mit meinem Vater, meinen Professoren und ersten Chefs noch Zahnärzte vom alten Schlag erleben zu dürfen. Das prägt mich und meine Arbeit bis heute.
Dr. Hubert Heindl: Man muss aber trotzdem mit der Zeit gehen, oder siehst du das anders?
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Die technische Entwicklung geht rasend schnell voran. Wir haben in den vergangenen 30 Jahren von Neuerungen enorm profitiert. Aber man darf auch nicht den Fehler machen, gleich auf jeden Zug aufzuspringen. Viele Produkte, die auf den Markt kommen, sind schlichtweg nicht ausgereift. Wir müssen Neuentwicklungen sehr genau prüfen, bevor wir sie anwenden. Sonst ist der Patient der Leidtragende! Außerdem müssen wir mit unseren Patienten in die Zukunft blicken.
Dr. Hubert Heindl: Hast du dafür ein Beispiel?
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Die Implantologie ist schon ein sehr gut vorhersagbares Standardverfahren, aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn Implantate bedürfen intensivster Pflege. Hat ein 75-jähriger Patient auch in zehn Jahren noch die Geschicklichkeit seine Implantate gründlich zu pflegen? Was passiert, wenn er dann pflegebedürftig ist und es zu Komplikationen kommt? Es liegt in unserer Verantwortung, unsere Patienten mit Blick in die Zukunft die für ihn richtige Behandlung anzuraten. Im Zweifelsfall darf man kein unnötiges Risiko eingehen. Das Motto lautet: einfach zu pflegen, stabil und langlebig. Darf ich jetzt zum Abschluss noch einen Zahnarztwitz zum Besten geben?
Dr. Hubert Heindl (verdreht die Augen): Na gut, meinetwegen!
Dr. Dirk Meyer-Juergens: Kommt ein Mann zum Zahnarzt…
Dr. Hubert Heindl: Lass gut sein, den kenne ich schon! Karin Wunsam