Kolonnenspringen ist grundsätzlich nicht verboten, aber wer sich nach und nach durch Überholmanöver in einer Autokolonne nach vorn arbeitet, ist trotzdem unter Umständen mitschuldig an einem Unfall und haftet für einen Teil des Schadens.
Teilhaftung auch
ohne Verschulden
Der Fall: Auf einer Landstraße bewegte sich eine Kolonne von Fahrzeugen mit 80 km/h, erlaubt war Tempo 100. Von hinten überholte ein Fahrzeug die Kolonne. Plötzlich scherte die Fahrerin eines Autos aus der Kolonne aus, um das Fahrzeug an der Spitze zu überholen. Es kam zur Kollision mit dem Kolonnenspringer. Vor Gericht stritten die Beteiligten darum, wie der Schaden aufzuteilen sei.
Das Urteil: Das Oberlandesgericht München entschied sich für eine Aufteilung im Verhältnis 80:20 zu Lasten der ausscherenden Fahrerin. Diese habe beim Ausscheren nicht ausreichend auf den nachfolgenden Verkehr geachtet. Dazu sei sie aber nach § 5 StVO verpflichtet. Der Kolonnenspringer habe gegen keine Verkehrsregeln verstoßen. Die Verkehrslage sei nicht unklar oder unübersichtlich gewesen. Auch ohne Verschulden hafte er jedoch allein wegen der Betriebsgefahr, die entsteht, sobald jemand ein Auto auf die Straße bringt, seines Fahrzeugs zu 20 Prozent mit. Diese Betriebsgefahr falle nur weg, wenn der Unfall für den Fahrer völlig unvermeidbar gewesen wäre. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen: Ein „Idealfahrer“ hätte das Überholen der Kolonne wegen des Risikos unterlassen und den Unfall so vermieden. (OLG München, Az. 10 U 4448/16) ampnet/Sm