Kein Verkehr ist auch keine Lösung

von Redaktion

Der Deutschlandfunk verzichtet auf Staumeldungen – die meisten anderen Radiosender halten daran fest

VON ANNA RINGLE UND RUDOLF OGIERMANN

Immer nach den Nachrichten kommt der Moment, an dem Ortsnamen genannt werden, die viele nur aus dem Radio kennen – Irschenberg oder Allershausen, Parsdorf, Lenting oder Aicha vorm Wald, Rohrbrunn oder Wörth an der Donau. Elf Kilometer Stau, vier Kilometer zäh fließender Verkehr, Umleitungsempfehlung. Seit Jahrzehnten sind die Verkehrsmeldungen Teil des Programms vieler deutscher Radiowellen. Ab diesem Samstag wird das Vergangenheit sein – zumindest beim überregional sendenden Deutschlandfunk. Dort verweist man auf eine Umfrage, derzufolge zwei von drei Hörern die Verkehrsnachrichten für „nicht wichtig“ oder „weniger wichtig“ halten. Ist das – im Zeitalter von Navi und Smartphone – der Anfang vom Ende der Staumeldungen im Radio?

Nein – jedenfalls, was die Öffentlich-Rechtlichen betrifft. Beim Bayerischen Rundfunk (BR) hat man „bisher keine Wünsche unserer Hörerinnen und Hörer erhalten, weniger Verkehrsmeldungen zu bringen“, betont Bayern-3-Chef Thomas Linke-Weiser im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn „bei uns erfährt man nicht nur, dass es einen Stau gibt und wie lang er ist – wir sagen auch, warum der Stau entstanden ist, ob er sich gerade erst aufbaut, ob es sich um eine Vollsperrung handelt oder nur um den üblichen Montagmorgenberufsverkehr.“ Nicht zu vergessen Geisterfahrer- oder Gefahrenmeldungen. „Hier liefern wir im wahrsten Sinn des Wortes lebensrettende Informationen“, so Linke-Weiser. Ähnlich argumentiert man beim Norddeutschen Rundfunk (NDR), und beim Südwestrundfunk (SWR) verweist man darauf, dass der Service auch Infos zu Störungen im S-Bahn- und Bahnnetz umfasse.

Als der Deutschlandfunk (DLF) als erster Sender am 25. März 1964 mit Durchsagen über Verkehrsstörungen startete, galt das als innovativ. Das habe in die damalige Zeit mit rasant wachsendem Individualverkehr und damit einhergehend mit mehr Staus und Unfällen gepasst. Heute sieht man das anders. „Der Nutzwert bundesweiter Verkehrsmeldungen im Radio hat in Zeiten von Navigationsgeräten mit Echtzeitinformationen über das Verkehrsgeschehen deutlich abgenommen“, sagt Programmdirektor Andreas-Peter Weber: „Viele unserer Hörerinnen und Hörer haben sich daran gestört.“

Der Deutschlandfunk ist nicht der erste Anbieter, der diesen Schritt geht. Im Mai vergangenen Jahres nahm die private Rock Antenne den Verkehrsfunk aus dem Programm, weil es sich ebenfalls um ein nationales Radioformat handelt, wie es von Antenne Bayern heißt. Beim Hauptprogramm selbst blieben Stauinfos im Programm. Zwar nutzten viele auch Navigationssystem und Handysoftware, wie Antenne-Bayern-Chefredakteur Ralf Zinnow erläutert. Im Verkehrsservice würden jedoch nicht nur die Meldungen verlesen, sondern es werde versucht, hilfreiche Zusatzinfos zu geben, die ein Navigationssystem nicht liefern könne.

Der digitale Wandel hat sich auf die Stau- und Verkehrsmeldungen ausgewirkt. Es kamen neue Ausspielwege hinzu. Der SWR etwa nennt App und Smartspeaker. Meldungen werden demnach mit entsprechender Codierung frei empfangbar an Navigationsgeräte gesendet. Auch beim BR haben sich die Zeiten geändert. Die zentrale Verkehrsredaktion verwendet nicht nur Daten der Polizei, sondern auch „Verkehrsflussdaten“ eines Navi-Anbieters und des ADAC. Alles sei somit stets „topaktuell“.

Auch die meisten Privatsender wollen die Verkehrsmeldungen beibehalten. Nicht zuletzt wegen der Bindung zwischen Radiomachern und Hörern. Oder, wie es Radio NRW-Programmchef Thomas Rump formuliert: „Die persönliche Ansprache durch den Nachrichtenredakteur oder Moderator vermittelt den Hörern Authentizität und Verlässlichkeit.“ Die bekannten Ortsnamen von Aicha vorm Wald bis Wörth an der Donau werden also – je nach Verkehrslage – weiterhin genannt. Elf Kilometer Stau, vier Kilometer zäh fließender Verkehr, Umleitungsempfehlung…

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