Matthias Habich macht sich gerne rar. Rote Teppiche meidet der Schauspieler, Interviews gibt er selten. Kurz vor seinem 80. Geburtstag an diesem Sonntag hat er aber eine seltene Ausnahme gemacht – für ein Gespräch über Lyrik, das Fernsehen, die Schauspielerei und seine Pläne.
Woran arbeiten Sie?
An drei verschiedenen Dingen: Ich bereite einen Film vor, den ich im Februar in Berlin drehen werde, ich bereite zum Hölderlin-Jahr Lesungen mit Barbara Auer vor und werde bald wieder Theater spielen. Ein Freund von mir hat ein Zwei-Personen-Stück geschrieben, das ich ins Deutsche übersetzt habe. Aber das ist noch gar nicht in trockenen Tüchern.
Hölderlin ist nicht der einzige Dichter, dem Sie sich widmen. Warum ist die Literatur, warum ist Lyrik Ihnen so wichtig?
Ich bin Schauspieler, meine Arbeit besteht mindestens zu 50 Prozent aus Sprache. Und Literatur ist eine heiße Schmiede. Beim Fernsehen läuft man oft Gefahr, dass es zu banal wird. Tiefer einzusteigen und sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die nicht auf den ersten Blick immer verständlich sind, macht für mich einen großen Reiz aus. Wenn man plötzlich etwas versteht, über das man lange nachgedacht hat, macht das Spaß. Aber es bleibt ein Rätsel.
Ist Ihnen das Fernsehen zu seicht?
Das Fernsehen allgemein? Nein. Es gibt manchmal hervorragende Sachen. Manchmal gibt es auch Seichtes, aber das macht ja nichts. Man braucht das auch mal zur Entspannung. Ich habe da gar keine Bedenken.
Was muss eine Rolle denn haben, um Sie zu reizen?
Das weiß ich gar nicht. Witz, Komik, eine Extremsituation – das kann alles Mögliche sein. Es gibt da kein Rezept und nichts Pauschales. Ich merke es, wenn ich das Drehbuch lese. Wenn ich schön leicht umblättere und wenn die Seiten nicht bleiern werden, dann bleibe ich dran. Heute werden ja vor allem Serien gedreht. Es gibt nur noch Langspielplatten und kaum noch Singles. Das ist der neue Trend und bequemer für die Produzenten. Aber wenn man sich für eine Serie engagieren lässt, ist das eine langfristige Verpflichtung und ein zeitlich langer Prozess. Das zu tun, wäre in meinem Alter ja schon fast gotteslästerlich.
Sie meiden die Öffentlichkeit gerne…
Ich bin vielleicht – ich sage mal das Wort – zu verklemmt. Scheu trifft es besser. Ich bin kein Menschenfeind, aber ein scheues Reh. Es gab ja Zeiten, in denen ich eine Popularität hatte. Als der „Simplizissimus“ 1975 im ZDF lief zum Beispiel. Das hat fast jeder gesehen, weil es ja nur zwei Sender gab und die Zuschauer in Senderhaft waren. Da war man deutschlandweit bekannt, und das war ganz schön, ganz wohltuend fürs Ego. Nur dann erhebt die Öffentlichkeit irgendwann einen gewissen Anspruch darauf, dass man präsent ist. Ich wollte aber nicht dafür bekannt sein, dass ich meinen Kopf ab und zu aus dem Fernseher strecke, sondern für meine Arbeit. Und dann hebt sich das auf. Die Eitelkeit ist heute auch befriedigt.
Das Gespräch führte Britta Schultejans.