Eine richtige Talkshow ist das nicht. Weil: Die da sitzen, bellen sich nicht an, sie lassen einander ausreden, jeder schätzt den anderen. Dabei geht es um Sport, wo man doch sonst besonders krawallig sein kann.
Es war ein ungewöhnliches Format, das am Samstag zur „Sportschau“-Stunde in der ARD Premiere hatte: das „Sportschau Thema“, moderiert von Jessy Wellmer, die ein junger Star im Ersten ist, an der nach den missglückten Sofa-Plaudereien mit Philipp Lahm zur Fußball-WM 2018 aber Zweifel aufgekommen waren. Das „Sportschau Thema“ macht sie gut – sie und die Redaktion hinter ihr.
Es ging in der ersten Ausgabe eine Stunde lang um Druck im Leistungssport. Die Gäste waren aus der ersten Reihe: Jan Frodeno, der Triathlon-Held, Gina Lückenkemper, die Sprinterin, in deren burschikose Art das Land sich bei der Leichtathletik-EM verliebte, René Adler, der Fußball-Torwart, der immer schon ein wenig mehr nachgedacht hat als andere. Dazu Jan Mayer, einer der bekannteren Sportpsychologen im Lande, er arbeitet für die TSG Hoffenheim.
In ruhiger Runde konnte jeder der drei Sportler von sich erzählen. Adler davon, wie er in der Bundesliga-Relegation mit dem Hamburger SV spürte, dass seinem Team „der Abstieg gewünscht wurde“, Frodeno darüber, wie bei ihm 2010 im letzten Wettkampf der Saison „die Angst vor dem Verlieren ins Spiel kam. Wenn der Kopf nicht mitspielt, ist der Körper ohne Chance.“ Und Gina Lückenkemper sagte, dass sie an ihren 100-Meter-Silber-Lauf keine Erinnerung hat: „Blackout, Filmriss.“
Einblicke, die den Zuschauer aber noch nicht 60 Minuten gehalten hätten. Seine Stärke bezieht das neue „Sportschau“-Format aus den Einspielfilmen, die länger und tiefgründiger geraten als die in den handelsüblichen Polit-Talkshows. So erfuhr man, wie Trainingsarbeit in Hoffenheim aussieht, wo die jungen Spieler im „Footbonaut“ geschult werden, einer Ballpassmaschine, in der Stadionatmosphäre hergestellt werden kann. Mit Profitorwart Oliver Baumann ging es dann in den „Gaming-Room“, wo er auf einem Screen mit sich verändernden Zahlen die niedrigste herauspicken musste. Tuning fürs Gehirn – dem Grundsatz folgend, dass man „die Überzeugung in die eigenen Kompetenzen trainieren soll“, so Sportpsychologe Mayer.
Man befragte für einen Einspieler auch Holger Geschwindner, den weisen Mentor des Basketballstars Dirk Nowitzki. Der meint: „Wer Talent hat, sucht den Druck.“ Und muss also mit ihm umgehen. Jan Mayer rät zur Schaffung von Gegenwelten. René Adler studierte neben der Karriere, Gina Lückenkemper reitet, Jan Frodeno stellt sich eine abhebende Rakete vor, wenn er sich erschöpft fühlt.
Man hat viel erfahren in dieser unaufgeregten Stunde fernab der Eins-zu-null-Berichterstattung. Und hofft, dass es die personell gut aufgestellte ARD (eigene Doping-Redaktion) ernst meint mit ihrem „Thema“ und es nicht nur Füllstoff ist, wenn aktuell der Ball nicht rollt. Und sich über den Quoten-Druck (die Premiere sahen nur 630 000 Zuschauer) mal hinwegsetzt.