Für immer Feierabend

von Redaktion

„37 Grad“-Doku über den Start in den Ruhestand – Psychologin erklärt uns, wie er gelingt

Auf einmal ist er da: der letzte Arbeitstag! Der Übergang in den neuen Lebensabschnitt ist eine Herausforderung. Das zeigt die sehenswerte Doku „Mein letzter Tag im Betrieb“ heute um 22.15 Uhr im ZDF. Der Film erzählt von Ängsten, Hoffnungen und Plänen. Wir haben mit der Psychologin Ursula Staudinger über den Start in den Ruhestand gesprochen.

Fällt der Abschied schwerer, je mehr ich meinen Job liebe?

Sagen wir so: Je höher der Bildungsgrad und je anspruchsvoller die Aufgabe ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie von hundert auf null gehen. In verantwortlicheren Positionen werden oft Übergangsregelungen gefunden oder Beraterverträge weitergeführt. Dieser stufenweise Übergang erleichtert die Umgewöhnung. Grundsätzlich gilt: Egal ob Manager oder Fabrikarbeiter – die Herausforderung, das Leben mit dem Ruhestand neu zu strukturieren, kommt auf uns alle zu.

Gehen Männer und Frauen mit dieser Herausforderung unterschiedlich um?

Frauen haben meist buntere, oft patchworkartige Berufsbiografien mit mehr Unterbrechungen und mehr Teilzeittätigkeiten. Das erleichtert den Ausstieg, weil die Arbeit nicht über Jahrzehnte 100 Prozent des eigenen Lebens ausgemacht hat.

Und ohne sie fühlen wir uns weniger wertvoll?

Viele der von uns befragten Ruheständler haben sich ganz stark über die Arbeit definiert. Der Beruf ist Teil unserer Identität. Außerdem macht die Tatsache, dass wir arbeiten, uns sichtbar – außerhalb der Familie und des Freundeskreises. Mit der Arbeit leisten wir einen Beitrag in der Gesellschaft. Wenn diese Wahrnehmung, an die auch das Selbstwertgefühl geknüpft ist, wegfällt, ist das ein enormer Verlust.

Wie wirkt sich der Ruhestand auf die Gesundheit aus?

Das ist eine sehr komplexe Frage, weil da viele Faktoren zusammenkommen. Studien, die versuchen, die verschiedenen Einflüsse zu kontrollieren, haben festgestellt, dass das Risiko, gesundheitlich abzubauen, mit dem Eintritt in den Ruhestand steigt. Das hat mit den Anforderungen zu tun, die der Beruf an uns stellt. Wenn wir arbeiten, müssen wir Probleme lösen, mit Kollegen auskommen, mit neuen Situationen umgehen. Das trainiert unser Gehirn. Und allein, dass wir das Haus verlassen, bringt körperliche Bewegung mit sich.

Gibt’s ein Konzept für einen gesunden Übergang?

Ein stufenweiser Übergang in den Ruhestand wäre optimal. Stellen Sie sich eine Treppe vor, auf der Sie von der 100-Prozent-Stufe auf die 80, die 60 und so weiter gehen. Als angehender Rentner könnte man sich so an die neue Situation gewöhnen und neue Interessen entwickeln, die sinnstiftend sind. So ein Vorgehen wäre auch für den Betrieb günstig, weil die langjährigen Erfahrungen des Arbeitnehmers sorgsamer ins Unternehmen überführt werden könnten.

Was kann ich unabhängig vom Arbeitgeber tun?

Man sollte sich bereits mit Anfang 50 überlegen, welche Dinge einen ausmachen. Wenn die Antwort „Beruf und Familie“ lautet, dann ist es Zeit, noch während der Berufstätigkeit ein paar neue Baustellen aufzumachen. Vielleicht gräbt man ein Hobby aus, das man aus Zeitgründen aufgeben musste, oder widmet sich parallel einer ehrenamtlichen Aufgabe. Es ist auch sinnvoll, frühzeitig mit dem eigenen Betrieb zu besprechen, wie man sich den Übergang in den Ruhestand vorstellt.

Gibt es Anlaufstellen?

Mittlerweile hat fast jede Gemeinde eine Seniorenberatung. Die Volkshochschule bietet Kurse für den Übertritt ins Rentenalter an und im Internet gibt es zahlreiche Portale, die Ehrenämter vermitteln. Man muss aktiv werden, um einen neuen Sinn im Leben zu finden.

Interview: Astrid Kistner

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