Der Unverstandene

von Redaktion

Die sehenswerte BR-Doku von Andreas Ammer setzt Karl Valentin ein weiteres Denkmal

VON RUDOLF OGIERMANN

Er gilt heute als genialer Komiker, Filmpionier und „Sprachanarchist“, der Generationen von Spaßmachern beeinflusste, doch am Ende seines Lebens war Karl Valentin (1882-1948) fast vergessen. Jetzt setzt der Filmemacher Andreas Ammer dem Multitalent mit der BR-Dokumentation „WRDLBRMPFD!“ ein (weiteres) Denkmal.

„Der neue Schreibtisch“, „Im Schallplattenladen“, „Die Orchesterprobe“ – wohl kaum jemand in München und Bayern, der noch nie von Karl Valentin gehört, noch nie wenigstens einen seiner Filme und Sketche gesehen hätte. So ging es auch Filmemacher Andreas Ammer, der es, als er den Auftrag für eine Dokumentation über den Humoristen, Musiker, Schauspieler, Regisseur und genialen „Wortklauberer“ bekam, als größte Herausforderung ansah, zunächst einmal das „Staunen zurückzugewinnen“ über einen, den man doch so gut zu kennen glaubt.

„WRDLBRMPFD! Karl Valentin – Der Unverstandene“ heißt Ammers Film, der am kommenden Dienstag um 22.30 Uhr im BR Fernsehen zu sehen ist. Am Montagabend stellte der Sender die Produktion vor großem Publikum im Münchner Literaturhaus vor. „Der Unverstandene“ – angesichts der großen Bedeutung, die dem Münchner heute bescheinigt wird, ein schon fast paradoxer Untertitel. Doch Ammer zeigt auf, dass Valentin „im Endeffekt gescheitert“ ist, wie er im (Vor-)Gespräch mit Autor und BR-Redakteur Armin Kratzert formuliert. In seinen letzten Jahren ohne Geld und ohne Publikum sei der Künstler „elend zugrunde gegangen“.

Die Frage, ob das heute anders wäre, ob Valentin heute „funktionieren“ würde, ist eine der Fragen, die die Doku beantworten soll. Ammer hat dazu unter anderem zwei – nicht Münchner Dialekt sprechende – Schauspielschüler beobachtet, die den Sketch „Der Ententraum“ proben – und die prompt den Witz der Szene nicht herstellen können.

„Er war Komiker und Bayer, damit tut man sich in der Welt schwer“, sagt Ammer, selbst gebürtiger Münchner, lachend. Und spielt damit indirekt auch darauf an, dass sich Valentin (eigentlich: Valentin Ludwig Fey) nicht gern aus seiner Heimat wegbewegt hat. Naheliegend, dass Ammer in „WRDLBRMPFD!“ neben der Valentin-Musäums-Direk- torin Sabine Rinberger und Biografin Monika Dimpfl auch die Kabarettisten Luise Kinseher, Willy Astor, Helmut Schleich und Christian Springer zu Wort kommen lässt.

„Es ist das Münchner Idiom, aber die Sprache ist international“, glaubt Kinseher im Film an die Universalität des Valentin’schen Witzes, Springer hebt dessen – im wahrsten Sinne des Wortes – Originalität hervor: „Er hat niemals von irgendjemandem irgendetwas abgekupfert!“ Auch der Filmemacher betont im Gespräch die außerordentliche „Experimentierlust“ Valentins, der – wir sprechen von der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg – bereits Filme gedreht habe, bevor es Orte gab, sie einem Publikum vorzuführen.

Valentin, der Avantgardist, der Bertolt Brecht und Samuel Beckett beeinflusste, der traurige Clown, der mit der Tücke des Objekts kämpft, der Sprache und Möbel zersägte – kommt alles vor in Ammers Werk, das auch die bitteren Seiten in Leben und Werk nicht ausklammert. Valentins Nachlass, den die Stadt München in den Fünfzigerjahren nicht kaufen wollte, obwohl er nur 7000 Mark gekostet hätte, wird heute in Köln verwahrt. „Material für Neuentdeckungen ist reichlich vorhanden“, heißt es im Film abschließend, „WRDLBRMPFD!“ (Originalton Valentin: „Man schreibt’s, wie man’s spricht!“) trägt sicher dazu bei.

Sendehinweis:

Das BR Fernsehen zeigt „WRDLBRMPFD!“ am kommenden Dienstag um 22.30 Uhr.

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