Dass dieses Interview ohne Kamera geführt wurde, nur mit einem Kassettenrecorder, schmälert die Wirkung des Films nicht – im Gegenteil. Regisseur Patrick Jeudy zeigt stattdessen Hände, die immer wieder zur Zigarette greifen, ein Weinglas, das immer wieder gefüllt wird. Diese Accessoires illustrieren das Gespräch, das die Journalistin Alice Schwarzer am 12. Dezember 1976 mit der Schauspielerin Romy Schneider, damals 38, führte. Sie schaffen Atmosphäre, sie sorgen dafür, dass der Zuschauer sofort hineingezogen wird in diese Nacht in Schwarzers Kölner Domizil.
„Ein Abend mit Romy“, zu sehen an diesem Sonntag um 22 Uhr bei Arte, ist, das zeigt sich von Minute zu Minute mehr, ein Abend ohne Tabus, die Interviewte öffnet sich der Interviewerin voll und ganz, sie berichtet, teils auf Deutsch, teils auf Französisch, von ihrer Zerrissenheit zwischen Heimat und Wahlheimat, von den Anfeindungen, denen sie ausgesetzt war, nachdem sie die süße „Sissi“ abgestreift hatte und nach Paris gegangen war.
Und sie erzählt – off the records – Erschütterndes, das Schwarzer nun mehr als 40 Jahre später preisgibt. Es geht um sexuellen Missbrauch durch Romys Stiefvater Hans Herbert Blatzheim: „Sie hat zu mir gesagt: ,Er hat versucht, mit mir zu schlafen. Und das nicht nur einmal.‘“, so Schwarzer, die das Gespräch von damals im Film Revue passieren lässt – auf Französisch, für die Zuschauer hierzulande deutsch untertitelt. Die „Emma“-Herausgeberin rechtfertigt sich. Um Romy Schneider zu verstehen – in ihrer Verzweiflung und Verletztheit – müsse man das wissen: „Und es ist gut, es jetzt zu sagen.“
Schwarzer ist in Patrick Jeudys Film mehr Psychologin als Journalistin, sie interpretiert mit großer Behutsamkeit die Sätze der Schauspielerin, sie leuchtet Romy Schneiders Herkunft aus, die nicht nur räumliche Nähe ihrer Mutter Magda Schneider zu Adolf Hitler, die Karriere des Stars, der sich doch zeitlebens selbst in Frage stellte.
Viele Bilder und Filmsequenzen beglaubigen das Gesagte, sie zeigen die Frau, die auf der Leinwand so stark und abseits der Filmkamera so verwundbar war, im grellen Licht der Öffentlichkeit. Eine Schönheit, mit der man sich gerne schmückte. Beeindruckend und bedrückend zugleich. Romy Schneider zerbrach am Ende an ihrem Leben, sie starb am 29. Mai 1982, nicht einmal sechs Jahre nach dem Abend mit Alice Schwarzer in Köln.