von Redaktion

Am Sonntag um 20.15 Uhr gibt’s auch im Schwarzwald Mord und Totschlag. Dann tritt ein neues Ermittlerduo seinen Dienst beim ARD-„Tatort“ an. Im ersten Fall, „Goldbach“, geht es um den mysteriösen Tod einer Elfjährigen in einem kleinen Dorf. Haben ihre Spielkameraden etwas damit zu tun? Als Franziska Tobler ist Eva Löbau (45) zu sehen, die Rolle des Friedemann Berg spielt Hans-Jochen Wagner (48). Wir sprachen mit ihm.

-Sie schlüpfen aus der Rolle eines Kommissars in einem ZDF-Samstagskrimi in die eines ARD-„Tatort“-Ermittlers – wie schwierig war es für Sie, da einen neuen Dreh zu finden?

Nicht so schwierig. Wenn man am Theater zweimal einen König spielt, sind das ja auch verschiedene Könige. Der Hendrik Verhoeven, den ich in „Kommissarin Heller“ verkörpert habe, hatte eine klare Aufgabe. Er war der Mahner, wenn Frau Heller mal wieder einen Alleingang gemacht hat. Der hatte Familie, ein Haus und einen Hund. Der „Tatort“-Kommissar, den ich jetzt spiele, geht in eine ganz andere Richtung. Ein Einzelgänger, in der Region verwurzelt, einer, der schon lange mit seiner Kollegin zusammenarbeitet.

-Bedauern Sie den Abschied von „Kommissarin Heller“?

Ich habe wahnsinnig gerne mit Lisa Wagner zusammengearbeitet, sie ist eine großartige Kollegin, die dieses Format ja auch maßgebend mitentwickelt hat. Dass das zu Ende ist, bedaure ich sehr. Den Hendrik Verhoeven vermisse ich nicht so sehr, weil ich zuletzt das Gefühl hatte, dass der sich nicht genug weiterentwickelt.

-Ursprünglich sollte Harald Schmidt mitspielen als Kriminaloberrat, hat dann aber abgesagt – sind Sie darüber traurig oder eher erleichtert?

Weder noch. Er ist halt nicht dabei.

-So ein Sidekick wäre für die Zuschauer sicher noch ein zusätzlicher Einschaltimpuls gewesen…

Kann sein.

-Sie stammen aus Tübingen, das ja in Württemberg liegt, welche Beziehung haben Sie zum Schwarzwald und zu Freiburg?

Sie spielen auf die Rivalität zwischen Schwaben und Badenern an. Die ist schon groß, aus der Nähe gesehen, aber die südwestdeutsche Mentalität insgesamt ist mir sehr vertraut. Ich habe einmal ein Jahr in Freiburg gelebt, und den Schwarzwald kenne ich aus meiner Kindheit, auch wenn ich jetzt nicht behaupten kann, dass ich da schon an jeder Ecke war.

-Der für den Schwarzwald-„Tatort“ verantwortliche Südwestrundfunk kündigt an, dass es um bäuerliches Leben,  Religiosität, um den Strukturwandel gehen soll.

Abgesehen davon, dass ich selbst gerne in der Natur bin, empfinde ich das schon als etwas Besonderes, dass der erste Fall und auch der, den wir jetzt drehen, eigentlich nur auf dem Land spielen können. In Städten besteht immer die Gefahr, dass die Geschichten verwechselbar sind, dass es egal ist, ob da in Hamburg, Berlin oder Dresden ermittelt wird.

-Sind die Abgründe auf dem Land tiefer als in der Stadt?

Schwer zu sagen. Ich bin in Reutlingen zur Schule gegangen und habe dort nach vielen Jahren ehemalige Klassenkameraden getroffen, die so krasse Geschichten erzählt haben, dass ich mir richtig spießig vorkam mit meinem Leben in Berlin-Kreuzberg. Es ist ja nicht so, dass, wer in der Großstadt lebt, automatisch im Brennpunkt der Kriminalität lebt. Die Stadt ist anonymer, auf dem Land, wo jeder jeden kennt, wirkt ein Verbrechen schon noch einmal anders auf die Menschen.

-Die Rolle des „Tatort“-Kommissars birgt für Schauspieler die Gefahr der Festlegung. Haben Sie davor keine Angst?

Nein, es gibt ja genügend Kollegen, die seit langer Zeit im „Tatort“ spielen und trotzdem noch andere erfolgreiche Filme drehen.

-Es gibt aber auch die, die nur noch „Tatort“ machen…

Woran das liegt, weiß ich nicht. Vielleicht haben die ja auch gar keine Lust, etwas anderes zu machen. Bei Eva und mir ist es so, dass wir noch Theater spielen und im Independent-Kino sind. Da sehe ich die Gefahr momentan nicht, in einer Schublade zu landen.

-Da klingt durch, dass man als Schauspieler selbst aktiv etwas gegen die Festlegung tun kann?

Kann schon sein, dass Arthouse-Filmer sagen: „Den nehmen wir nicht mehr!“ Aber am Ende entscheidet die Qualität des Schauspielers und ob man bereit ist, auch etwas völlig anderes zu machen.

-Sind Sie selbst Krimifan?

Sagen wir so: Es ist eine Art Hassliebe. Die meisten meiner Kollegen machen ja Krimis, es gibt aber große qualitative Unterschiede. So wie es bei Büchern den Arztroman gibt, aber auch Dostojewski.

-Der „Tatort“ wäre dann eher Dostojewski?

Ich finde dieses Format interessant, es hat sich gut entwickelt über die Jahre, es gibt eine große Vielfalt, es sind gute Regisseure, es wird experimentiert. Das mag ich, weil die Fernsehmacher sonst wenig riskieren. Da ist mir ein improvisierter „Tatort“ (die Folge „Babbeldasch“ aus Ludwigshafen, Red.), über den sich die ganze Nation aufregt, lieber als ein Durchschnittsfall.

-Haben Sie selbst schon einmal mit der Polizei zu tun gehabt?

Nein, ich war immer ein braver Junge – oder ich habe mich nicht erwischen lassen. Aber letztens hat die Polizei bei mir zu Hause in Berlin an der Tür geklingelt. Ich frage: Was ist los? Sagt der Polizist: „An Ihrem Auto is det Fensta offen!“

Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann.

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