von Redaktion

VON GÜNTER KLEIN

Der Deutsche Badminton Verband beschönigt nichts: Er hat gerade niemanden, der international was reißen könnte. Er streicht das auch auf seiner Website heraus.

Der beste Herr: 84. der Weltrangliste. Die beste Frau: 39. Herrendoppel: Platz 22. Damendoppel 39. Im Mixed hat man wenigstens ein Duo, das auf 19 steht. Eine Olympia-Medaille hat das deutsche Badminton noch nicht gewonnen, seit die Sportart 1992 ins Programm aufgenommen wurde. Der Deutsche Badminton Verband, diese Schlussfolgerung liegt nahe, scheint nicht besonders gut zu funktionieren.

Falsch. Der DBV ist ein Musterverband, der beste unter den 26 für den olympischen Sommersport zuständigen. Er hat das schriftlich. Vom Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) und vom Innenministerium. Badminton ist der PotAS-Sieger.

PotAS – das ist das Kürzel für Potenzial-Analyse. Deren Ergebnis entscheidet über die Verteilung der Fördergelder von jährlich 260 Millionen Euro auf die Verbände und die Sportarten. Früher waren dafür die Erfolge ausschlaggebend. Das System wurde als brutal empfunden: Wer keine Medaillen, Titel und Top-Platzierungen lieferte, dem wurden die Mittel gekürzt. Folge: Es wurde noch schwerer, einen Rückstand aufzuholen. Dem Bundesrechnungshof erschien das Verfahren als zu intransparent, er verlangte nach einer anderen Art der Sportförderung. Es sollte beurteilt werden, wie gut die Verbände wirklich arbeiten, was in ihnen an guter Zukunft steckt. Es wurde eine PotAS-Kommission gegründet, besetzt mit Sportwissenschaftlern, Sportpsychologen, Historikern, die Verbände erhielten einen Katalog mit Fragen – und schließlich gab es vor ein paar Wochen ein Ergebnis. Und die Aufregung gleich dazu.

Stand also dieses kaum bemerkte Badminton an der Spitze. Und der Deutsche Ruder-Verband an 26. und letzter. Trotz des Deutschland-Achters, der häufig Mannschaft des Jahres wird und ein Mythos ist. Oder vor Kanu (Platz 14), das noch jede Olympia-Bilanz gerettet hat. Auch vor Basketball. Deutschland hatte Dirk Nowitzki – und wen gleich wieder im Badminton?

Siegfried Kaidel, Präsident der Ruderer, tobte: „Wir sind bei der U 19 der weltweit erfolgreichste Verband, doch angeblich fehlt uns ein Nachwuchskonzept. PotAS bewertet vorrangig das Produzieren von Papier und Formalismen.“ Jörg Bügner von der Triathlon-Union beklagte, die Auseinandersetzung mit Pot-AS hätte ihn ein Jahr gekostet: „Ich habe 17 Konzepte geschrieben.“ Thomas Kurschilgen von den Schwimmern grollte: „Einige Verbände haben das System überlistet.“ Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fragte, nachdem sie sich in der Verbandslandschaft umgehört hatte, ob PotAS „kompletter Schwachsinn“ sei.

Martin Kranitz sieht das relativ entspannt. Er ist der Badminton-Sportdirektor, steckt tief drin in der PotAS-Materie und ist sich darüber im Klaren, dass das Ergebnis, das kürzlich veröffentlicht wurde, ein vorläufiges ist. Fertig wird die Analyse erst nach den Olympischen Spielen in Tokio sein, dann werden die Erfolge eingepreist. „Das wird zu großen Veränderungen führen, wir werden dann nicht mehr auf eins stehen.“ Doch was ihm jetzt schon bestätigt wurde: Der Badminton-Verband hat hervorragende Strukturen geschaffen. Er hat alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein.

„Die Analyse setzt strukturelle Rahmenbedingungen deutscher Spitzenverbände zueinander ins Verhältnis. Die internationalen Rahmenbedingungen der jeweiligen Sportarten (z.B. Dominanz einer Nation im internationalen Vergleich) bleiben dabei unberücksichtigt.“ So steht das etwas sperrig im PotAS-Bericht. Übersetzt: Ein Verband kann super arbeiten, aber das Pech haben, dass die internationale Konkurrenz noch viel bessere Möglichkeiten hat. Badminton wird von den asiatischen Ländern beherrscht: Malaysia, Indonesien, China, Japan, Indien. Andererseits kann ein Verband nicht so gut aufgestellt sein, aber dennoch Erfolg haben – weil vielleicht die Vereine das wettmachen oder Sportler sich in Eigenregie Sponsoren und Trainingsmöglichkeiten verschaffen.

Badminton in Deutschland ist nicht so klein, wie man denkt. Der Verband hat 190 000 Mitglieder. Es fehlt auch nicht an Spielstätten. Badminton-Felder sind schneller gebaut als etwa eine Eisfläche. Das Spiel funktioniert als Breitensport, die Leistungssportkultur wird in zwei Stützpunkten gepflegt. Der Verband hat sich dazu entschlossen, seine besten Einzelspieler in Mülheim an der Ruhr zu konzentrieren, Stützpunkt für die Doppel ist Saarbrücken. „Wir stellen das komplette Setup“, sagt Kranitz. Auf der Hauptgeschäftsstelle arbeiten vier Leute, zwölf Hauptamtliche und die beiden Stützpunktleiter besorgen das sportliche Geschäft. Ein Vorteil ist die Übersichtlichkeit: Es gibt Badminton Männer und Frauen, Verbände wie der der Radfahrer (Bahn, BMX, Mountainbike, Straße) oder leichtathletik (Wurf-Stoß, Sprung, Sprint, Lauf-Gehen, Mehrkampf – alles jeweils für Frauen und Männer) müssen einen vielschichtigeren Aufwand betreiben.

International ist Deutschland in der Rolle des Lehrlings. Die führenden asiatischen Badminton-Nationen seien eher verschlossen und nicht bereit, ihr Wissen preiszugeben, sagt Sportdirektor Martin Kranitz. Ein Modell wie früher im Judo, wo die besten deutschen Kämpfer zu mehrmonatigen Fortbildungen ins Mutterland Judo geschickt wurden, sei im Badminton nicht denkbar. Man macht es anders. „Wir holen die Leute aus Asien zu uns.“ Als Spieler in die Clubs, als Trainer in den Verband. Es gibt derzeit eine taiwanesische Bundestrainerin (Cheng Wen-Hsing) und einen chinesischen (Xu Yan Wang).

Üblich im Sport ist es, dass an der Basis (und auch auf Leistungsebene) auf den Verband geschimpft wird. Philipp Blonck ist Team-Manager beim TSV Neuhausen-Nymphenburg, dem Münchner Bundesligisten, der auch diverse Nachwuchsmannschaften unterhält. Neuhausen hat mit dem Bayerischen Badminton-Verband zu tun ( dessen Landestrainer Tobias Wadenka zugleich für den TSV Bundesliga spielt) und mit dem Deutschen. Blonck lobt die Zusammenarbeit in alle Richtungen: „Wir haben überhaupt keine Klagen.“

Was Badminton halt mal bräuchte, wäre so eine Boris-Becker-1985-Geschichte: Ein Deutscher, der was ganz Großes gewinnt. Philipp Blonck erinnert an Marc Zwiebler und Juliane Schenk, die Besten im vorigen Jahrzehnt. Schenk war sogar mal Weltranglisten-Zweite.

Kommen diese Zeiten wieder? Oder noch bessere? Das Potenzial müsste vorhanden sein, das ist jetzt durch PotAS ja quasi amtlich.

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