Marco Hesina war bei seinem Bundesliga-Debüt für Innsbruck gerade mal 15 Jahre und 165 Tage alt, David Alaba saß schon mit 15 bei den Austria-Profis auf der Bank, ehe er aus Wien in die Jugend der Bayern wechselte. Michael Gregoritsch traf kurz vor seinem 16. Geburtstag in Liga eins für Kapfenberg. Warum ist in Österreich schon lange möglich, was in Deutschland erst jetzt ernsthaft diskutiert wird? Nun wird sicher keiner behaupten, dass Österreicher schneller reifen, dort scheint man nur ein wenig flexibler zu sein, nicht starre Paragrafen, sondern die individuelle Entwicklung von Talenten im Auge zu haben. Zumindest Alaba und Gregoritsch hat es nicht geschadet, so früh schon Erfahrungen bei den Erwachsenen gesammelt zu haben.
Bei uns geht das nicht. Noch nicht. Es gibt auch gute Argumente dafür, Jugendliche langsam reifen zu lassen und behutsam an die deutlich höheren Anforderungen im Herrenfußball heranzuführen, sie nicht zu verheizen, wie man in der Fußballersprache so drastisch sagt. Doch selbst die (dreigeteilte) Bundesliga der A-Junioren ist halt ein Kinderspiel in Relation zu den Profiligen. Nun will die DFL die Altersgrenze in der Bundesliga auf 16 senken und es der Verantwortung der Vereine überlassen, ob ein so junger Mann physisch und psychisch verkraftet, in den höchsten Spielklassen gefordert zu sein. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.
In Österreich und vielen anderen Ländern funktioniert das schon ganz gut, Karim Adeyemi, vor eineinhalb Jahren mit 16 aus Unterhaching nach Salzburg gewechselt, hat in Österreichs zweiter Liga einen weiteren Schritt nach vorne gemacht und ist inzwischen eines der begehrtesten Talente Europas. Adeyemi hat profitiert von der Möglichkeit, schon mit 16 regelmäßig gegen gestandene Profis gespielt zu haben, was in Deutschland die Statuten verhindert hätten. Allerdings war er bestens präpariert, in Haching hat Präsident Manni Schwabl sein Supertalent sportlich und vor allem persönlich stets gefördert und gefordert.
Die Frage ist, ob wirklich alle Verantwortlichen so fürsorglich mit ihren Talenten umgehen. Der DFL-Sportreport hat gerade alarmierende Zahlen zum Nachwuchs in Deutschland veröffentlicht. Eine der Kernaussagen ist, dass in den hochgelobten Nachwuchsleistungszentren noch immer das blanke Ergebnis, nicht die individuelle Entwicklung des Einzelnen im Mittelpunkt stehe. Eine der Folgen: Immer weniger Spieler unter 21 kommen in der Bundesliga zum Einsatz, der Anteil hat sich von der vorletzten zur aktuellen Saison von 17,1 auf 9,2 Prozent fast halbiert, die Quote der einheimischen U21-Talente ist in diesem Zeitraum sogar von 7,8 auf nur noch drei Prozent gefallen. Und dann sollen es nun schon 16-Jährige schaffen?
Ja, einzelne herausragende Talente werden es schaffen, vorausgesetzt, sie sind körperlich der Sache gewachsen und in einem vernünftigen Umfeld gereift, ohne dass ihnen von gierigen Beratern Flausen in den Kopf gesetzt wurden. In Haching hat Schwabl seinen Schützling auch zu Bodenständigkeit erzogen. Gerade hat Adeyemi seinen Vertrag in Salzburg bis 2024 verlängert, dabei hätte er in Barcelona, Liverpool oder Dortmund ein Mehrfaches verdienen können. Das zeugt von Reife.
Wann aber ist ein Mensch reif? Dass das nicht am Alter festzumachen ist, haben gerade die Profis von RB Leipzig eindrucksvoll bewiesen. Wer nicht weiß, was er mit den vielen Millionen, die ihm schon in jungen Jahren in die Taschen gestopft werden, Vernünftiges anfangen soll, der lässt eben mal schnell einen Friseur aus London einfliegen. Hauptsache, Haare schön. So dachten nicht 16-Jährige, sondern erwachsene Männer. Zumindest laut Geburtsdatum waren sie das.
Die DFL will die Altersgrenze in der Bundesliga auf 16 senken – der Umgang mit Talenten kann darunter leiden